Sie sind platt

29 Okt

… hat mir mein Hausarzt gesagt. Und dass es wohl eine Weile dauern würde, bis ich wieder einigermaßen auf dem Damm wäre.

Normalerweise wird man ja auch eine ganze Weile krank geschrieben. Während des Krankenhausaufenthalts hatte mich meine Tochter eigentlich recht gut vertreten, aber die Kundschaft lies mich doch durch die Blume wissen, dass man mich möglichst bald zurück erwartete. Und ich stieg also wieder ein, zunächst mit Unterstützung und nur einige Stunden am Tag, dann nach 2 Wochen aberwieder voll, unterbrochen nur durch die Radiojodtherapie.

Mein Hausarzt hatte bereits angedeutet, dass er eigentlich eine Anschlussheilbehandlung für sinnvoll hielt, und auch bei der Entlassung aus der Nuklearmedizin wurde das so gesehen. Aus Angst vor den wirtschaftlichen Folgen habe ich das aber zunächst nicht in Anspruch genommen. Zwischenzeitlich nach ca. 4 Monaten suchte ich dann auch psychoonkologische Hilfe und auch da wurde das Thema wieder angesprochen.

Im Frühjahr war bedingt durch die Fußballweltmeisterschaft ein lukrativer Großauftrag in Aussicht, den ich auf jeden Fall mitnehmen wollte, da mich die ganze Geschichte durch Umsatzausfälle, zusätzliche Krankheitskosten und viel aufgewendete Zeit für Therapien und Untersuchungen bereits wirtschaftlich ziemlich gebeutelt hatte. Die Insolvenz eines Kunden tat ihr Übriges, und die eigene Insolvenz wollte ich auf jeden Fall vermeiden.

Ich habe also den Auftrag durchgezogen und musste danach selbst langsam einsehen, dass es nicht mehr viel weiter ging. Gottseidank hatte mich meine Psychoonkologin doch überzeugen können schon während des laufenden Auftrags eine Rehamaßnahme zu beantragen, die nach einem Widerspruch auch dort genehmigt wurde, wo ich es mir wünschte, nämlich auf Föhr an der Nordsee. Ich hatte mir diese Klinik ausgesucht, weil ich mir vom Klima Linderung bei den Atemwegsproblemen erhoffte und ein bischen auch, weil ich die Nordsee einfach mag.

Dort angekommen wurde mir erst allmählich bewusst wie platt ich tatsächlich war. Vorher hatte ich ständig unter Strom gestanden mit unregelmäßigen Tagesabläufen, Arbeiten oft bis Mitternacht, wenig Schlaf. Das Ganze war zwar körperlich eigentlich nicht sehr anstrengend gewesen, hatte zusammen mit der Behandlung jedoch deutliche Spuren hinterlassen.

Der geregelte Tagesablauf, das Bewegungsprogramm, die Logopädie, das Klima, die wunderschöne Insel haben mich dann langsam wieder aufgebaut. Ein entscheidender Punkt war sicher auch, dass ich die Muße (und den Mut) fand mich auch der Pflege meiner Seele zu widmen und mich dabei auf neue Dinge einzulassen, denen ich früher eher skeptisch gegenüber stand. Autogenes Training ist ja eher als etabliert anzusehen, therapeutische Steinbildhauerei oder gar Trancereisen wären mir früher eher fremd gewesen. Ich habe mich jedoch darauf eingelassen und viel über mich selbst  und darüberhinaus Hilfen aus mir selbst erfahren. Das bedeutet mir im Nachherein sehr viel.

4 Wochen, während derer mir wiederum meine Tochter zu Hause den Rücken frei hielt, waren gerade ausreichend, die Batterien weitgehend aufzuladen. Leider habe ich bisher nicht soviel in den Alltag retten können, wie mir lieb gewesen wäre, aber Einiges schon, und ich versuche daran auch weiter zu arbeiten. Eine langsame Wiedereingliederung, wie sie bei abhängig Beschäftigten die Regel ist, wäre mir sicher entgegen gekommen, war mir als Selbstständiger aber leider nicht möglich.

Ich denke, der Nutzen solcher Maßnahmen wird von vielen unterschätzt. Ich habe an mancher Stelle schon recht abfällig über Kuren etc. reden hören. Mag sein, dass dies auch von manchen Menschen ausgenutzt wird, die sie vielleicht wirklich nicht brauchen. Mir jedenfalls war die Maßnahme sehr wertvoll.

7 Antworten zu “Sie sind platt”

  1. Tante Jay 30. Oktober 2010 um 00:23 #

    Ich steh grad vor einem ähnlichen Problem, nur noch eine Nummer krasser.
    Ich wurde angesprochen, dass, wenn ich doch schon wieder normal leben könnte, ich doch auch wieder arbeiten könnte. Bisschen Wiedereingliederung und dann würde das gehen. Reha bräuchte ja kein Mensch, wär ja nur ein von der Krankenkasse bezahlter Urlaub. Und überhaupt hätte ich mich jetzt lange genug ausgeruht.

    Mein Hinweis, dass die Bauchdecke immer noch offen ist, hat nicht viel geholfen – ich würde ja hier auch am PC sitzen, wieso ich das nicht im Büro könnte.
    Nun – zu Hause lege ich mich hin, wenn ich müde bin und schlafe. Im Büro brauch ich sowas nicht versuchen, dass würde richtig ärger geben. Zu Recht.

    Ich hab das Gespräch dann rasch beendet, aber lustig ist echt anders. Da sind Menschen auf meiner Arbeit, die glauben, ich würde mir alles nur ausdenken und mich zu sehr verhätscheln – und dass ich doch arbeiten gehen könnte, wenn ich nur wollte.

    Und dass ich mich auf deren Schultern ausruhe. 😦
    Nicht schön grad.

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    • drkall 30. Oktober 2010 um 18:29 #

      Ich dacht eigentlich im öffentlichen Dienst wär’s einfacher. Scheint ja leider nicht überall so zu sein. Ich hatte eine Tischnachbarin, die bei der Postbank war (aber noch beamtet), die war schon zum 2. Mal da. Jedesmal danach wieder vorsichtige Wiedereingliederung.

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    • drkall 31. Oktober 2010 um 01:02 #

      Ja das Problem mit verhätscheln und auf anderer Leuts Schultern ausruhen ist mir bekannt. Es gibt offenbar nur zwei Möglichkeiten: Entweder man hat Krebs und hat nur noch Monate zu leben bzw. läuft mindestens ohne Haare rum, oder es kann ja alles nicht so schlimm sein.

      Dass man äußerlich einigermaßen passabel aussieht und trotzdem nicht alles so rosig ist, scheint irgendwie nicht recht ins Schema zu passen.

      Ich hab vor einer Woche auf einer Slebsthilfetagung einen Vortrag von einem netten holländischen Arzt gehört (ging um Langzeitüberleben, das in meinem Fall ziemlich gut ist) und den Spruch, den man öfter mal vorzugsweise von Chirurgen hört: „Wenn ich mir einen aussuchen könnte, dann ihren …“
      Der meinte mit breitem Oranje-Akzent: „Das is eine Scheißspruch!“, dem kann ich nur zustimmen. Zu den _Umständen_ des Langzeitüberlebens, besonders am Anfang, sagt die Prognose nämlich grad mal nix.

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  2. Yolanda 30. Oktober 2010 um 21:04 #

    Was hast Du davon, wenn Du irgendwann zusammen klappst? Mit „Glück“ nix schlimmeres, mit Pech den Löffel abgegeben. Selbstständig hin oder her, die Gesundheit dankt es Dir.

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  3. Giftspritze 31. Oktober 2010 um 15:24 #

    Hallo und einen schönen Sonntag Nachmittag wünsche ich dir. Ich möchte mich kurz vorstellen – ich bin die Neue hier bei WP und komme eigentlich von Windows live, was die Pforten schließt und alles zu und an WP abgetreten hat. Inzwischen bin ich froh, hier lesen, schreiben und Feedbacks abgeben zu können. Hier treffe ich auf Blogs, die mich interessieren und die nicht nur darauf aus sind, bunte Bildchen abzufangen. Ich heiße Mandy und bin von Beruf Altenpflegerin. Habe im Oktober 2009 eine Knie OP über mich ergehen lassen müssen, im April diesen Jahres kam die Zweite dazu. Nun bin ich mit meinen 43 Jahren Ersatzteillager und bin offiziell nicht mehr geeignet, den Beruf als APF auszuüben. Pah. Ich mach es und ich finde, ich mache es gut. Geholfen haben mir zwei Reha Kuren, die ich immer anschließend nach den OPs bekommen habe. Ich kann nur sagen, dass diese Kuren das Beste mit waren, was ich bekommen habe. Leider gibt es aber immer wieder solche Objekte, die eine solche Maßnahme für ihre Triebe missbrauchen und damit all die mit in Verruf bringen, die ebenfalls kuren und NICHT huren. Sorry, aber ich muss das so schreiben. Ich werde mir die Zeit nehmen, und mich näher in deinen Blog einlesen. Fürs Erste sage ich Tschüß und wie gesagt…noch einen schönen Nachmittag.

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  4. Mendian 6. November 2010 um 16:52 #

    Dieses ‚Du siehst gar nicht krank aus, warum bist du dann zuhause?’kenne ich aus eigener Erfahrung. Ich bin seit April unter ‚Hausarrest‘, erst vom Hausarzt aus, dann vom ARBO-Doc (aehnlich dem Deutschen Amtsschimmel, aeh Amtsarzt). Anfang Oktober wurde ich vom ARBO Doc bis Ende des Jahres weiterhin aus dem Verkehr gezogen. Mitte Dezember soll dann das erste Gespraech zwecks Re-Integration folgen. Es gibt Tage, da koennte ich Baeume ausreissen, und dann gibt es wieder Tage, wo ich den ganzen Tag nur schlafen koennte. Eins ist auf jeden Fall klar, Vollzeit werde ich auf jeden Fall nicht wieder einsteigen koennen. Noch nicht. Ich habe meine Lektion gelernt. Ich gehe vieles lockerer und auch langsamer an. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden und was heute nicht erledigt werden kann, muss halt bis morgen warten, oder uebermorgen…. Was ich sagen will, ist, dass kein Job auf der Welt die Gesundheit kosten darf und soll. Kall, deine Firma lief eine Zeitlang ohne dich, und sie wird weiterhin laufen, auch wenn du langsam machst. Was nuetzt dir der naechste Auftrag, wenn du ihn nicht mehr ausfuehren kannst?

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    • drkall 6. November 2010 um 18:19 #

      Natürlich ist klar, dass man aufpassen muss, nicht am Ende ganz und gar arbeitsunfähig dazustehen. Allerdings wäre die Alternative, in die Insolvenz zu schlittern, was bei uns dann den Übergang in Hartz IV zur Folge hätte, eben auch wenig wünschenswert. Denn dann gibt es ausschließlich Minimalversorgung in jeder Hinsicht, und die ist miserabel, besonders in meiner Situation.

      Das mögen Kleinigkeiten sein, die aber in der Summe eine erhebliche Auswirkung hätten.
      So kann ich es mir z.B. im Moment noch leisten, mich regelmäßig mit L-Carnitin zu versorgen, was die Nebenwirkungen der aus Therapiegründen überdosierten Schilddrüsenhormone etwas mildert.

      Ich kann es mir ebenfalls noch leisten, beim Zahnarzt die etwas aufwändigeren hochqualitativen Kunststofffüllungen mit einer guten Haltbarkeit zu bezahlen. Seit der Radiojodtherapie haben meine Speicheldrüsen gelitten, sodass der Verfall des Gebisses trotz guter Pflege deutlich schneller geworden ist, gleiches gilt für die Tränendrüsen und die ebenfalls selbst zu bezahlenden Augentropfen. Größere Zahnersatzmaßnahmen sind eigentlich absehbar. Auch da wäre eine Minimalversorgung die denkbar schlechteste Lösung. Wenn ich mir sicher auch in Zukunft keine Luxussanierung leisten können werde, etwas besser als mit Hartz IV könnte es schon gehen.

      Ich kann mir im Moment noch hin und wieder den Besuch in einem Wellnessbad mit Solebecken und Dampfbad leisten, was meinen strapazierten Atemwegen recht gut tut, auch das wäre nach einer Insolvenz nicht mehr möglich.

      Es gibt etliche weitere Beispiele von Dingen, die heute noch mit einem jeweils kleinen zusätzlichen finanziellen Aufwand meine Lebensqualität verbessern, die ich mir im Insolvenzfalle dann aber nicht mehr leisten könnte, was im Endeffekt dann eben auch wieder Asuwirkungen auf meine Leistungs- und Arbeitsfähigkeit hätte.
      Es gilt also, eine Work-Life-Balance zu finden, die mir zum einen meine Arbeitskraft erhält bzw. wieder zurückbringt, aber andererseits mich nicht so beansprucht, dass ich sie wiederum gefährden würde, und dabei gleichzeitig meine derzeit einzige Einkommensquelle möglichst langsfristig zu sichern.

      Im Prinzip habe ich das durch die Rehamaßnahme auch gelernt. Die Umsetzung in die tägliche Praxis eines selbstständigen Berufsalltages ist allerdings schwieriger als im Schutzraum, den eine Rehaklinik bietet.

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