Dass man sich in den Finger geschnitten habe, sagt man ja gelegentlich, wenn etwas anders gekommen ist, als man ursprünglich erwartet oder erhofft hatte .
Das Thema ist mir in den Sinn gekommen als ich einen Post auf Kunst Kitsch und Krempel las, und ich habe mich spontan an mehrere eigene Geschichten erninnert, die m.E. das Thema „in den Finger geschnitten“ im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne treffen.
Die erste Mal betraf allerdings nicht den Finger sondern einen Zeh, auf den mir beim Schneiden von Speck für eine Suppe während meiner Studentenzeit ein Messer gefallen ist. Was mich geritten hat, diese Tätigkeit ausgerechnet barfuß auszuüben, weiß ich nicht, auf jeden Fall hatte ich genauso wie Loco_just_Loco im obigen Link panische Angst davor, zum Arzt zu gehen, wegen der vielleicht damit verbundenen Folgen, Betäubungsspritzen, ggf. Sehne flicken, und was sonst vielleicht noch so drohte, und den unangenehmen Fragen danach, wie denn sowas passieren kann. Zu dieser Zeit hatte ich ein eher gestörtes Verhältnis zu Ärzten, auch Zahnärzten, und besonders zu solchen, die mir mit spitzen oder scharfen Gegenständen zu Leibe rücken könnten.
Nun, ich hatte mich allen wilden Phantasien zum Trotz eben in diesem Fall auch „in den Finger geschnitten“, denn alles ist innerhalb von 2 Wochen vollkommen problemlos verheilt.
Ein weiteres Mal betraf dann tatsächlich einen Finger und dabei habe ich mich sogar dreimal in denselben geschnitten, einmal im wörtlichen und zweimal im übertragenen Sinn.
Zur Zeit, als dies stattfand, war ich bereits selbstständig und hatte spät abends noch an einem Auftrag zu tun, den ich unbedingt bis zum nächsten Tag fertig bekommen wollte, da es was mit einem Umzug zu tun hatte, der am übernächsten Tag stattfinden sollte und der Kunde selbst noch Zeit brauchte, um die Dinge, die ich fertigzustellen hatte, an einem Wagenzu montieren.
Immer hatte ich den Ratschlag meines Schreinermeistervaters berücksichtigt, beim Umgang mit scharfen Werzkeugen immer die zweite Hand in Schnittrichtung hinter der Schneide zu haben. Nur an diesem Abend eben einmal nicht, weil ich es eilig hatte, nachhaus aber eben dennoch fertig werden wollte. Ich rutschte mit einem scharfen Cutter von der Schiene, an der entlang ich schnitt, ab, und die Fingerkuppe des rechten Zeigefingers klappte zur Seite. Hier war unmissverständlich klar, dass ich um einen Arztbesuch wohl kaum herum kommen würde, aber es war gegen 23 Uhr, und der diensthabende Arzt in dem Krankenhaus, das mir als erstes in den Sinn kam, war schon ein wenig erstaunt, als ich von einem „Arbeitsunfall“ erzählte, und er meinte, ob es denn wirklich sooo schlimm wäre, dass es nicht bis zum anderen Morgen Zeit hätte. Angesichts der nun doch schon erheblichen Menge Blut, die der rasch um den Finger gewickelte Verband bereits aufgesaugt hatte, war ich schon der Meinung, dass es keine Zeit hätte. Dieser Meinung war dann auch der Arzt, nachdem er den Finger gesehen hatte, und nach einer Stunde verließ ich dann mit frisch angenähter Fingerkuppe das Krankenhaus in Richtung zuhaus.
Im übertragenen Sinne in den Finger geschnitten hatte ich mich insoweit, als ich geglaubt hatte, man könne Dinge, in diesem Falle die Fertigstellung des Auftrags, entgegen seinem Bauchgefühl erzwingen. Der Auftrag wurde fertig, am nächsten Tag und unter tätiger Mithilfe meines Kunden, aber eben völlig anders, als ich mir gedacht hatte. Mit etwas weniger Ehrgeiz und einem Anruf hätte ich das auch schon vorher erreichen können.
Und noch in einem anderen Sinne hatte ich mich in den Finger geschnitten, doch dazu muss ich etwas zurückblicken: Im Alter von ca. 14 Jahren, ich besuchte das Gymnasium, fragte mich mein Vater, ob ich mir vorstellen könnte, seine Schreinerei zu übernehmen, die zu diesem Zeitpunkt gut lief und die Möglichkeit geboten hätte, die ein oder andere Modernisierungsinvestition zu finanzieren. Angesichts dessen, dass ich gerade zu dieser Zeit oft genug mit dem Rest meiner Familie bis spät abends in der Werkstatt mithalf, dringende Aufträge gerade noch so eben termingerecht fertigzustellen und der Tatsache, dass meine Eltern viele Wochenenden mit Angeboten, Rechnungen und Buchhaltung verbrachten, sagte ich ihm sinngemäß, dass ich auf keinen Fall selbstständig werden wollte, schon garnicht mit einer Tätigkeit, bei der man sich in den Finger schneiden oder diesen sogar verlieren könne (was ihm zumindest teilweise bereits passiert war). Ich dachte, damit sei dieses Thema für mich ein für alle mal erledigt. Auch mit dieser Annahme hatte ich mich „in den Finger geschnitten“, beides, die Selbstständigkeit und das in den Finger Schneiden hatte mich eingeholt. Ich bin mir heute noch nicht ganz sicher, was mir das sagen sollte.
Der letzte Schnitt, um den es geht, fand physisch nicht in den Finger sondern in den Hals statt. Dass und warum man mir den Hals aufgeschnitten hat, habe ich ja bereits geschrieben und ist ja auch nicht unwesentliches Thema dieses Blogs. Hier geht es konkret um die Situation, wo wieder das „in den Finger geschnitten“ im übertragenen Sinne ins Spiel kommt. Es war ja zunächst eigentlich eine ganz normale Schilddrüsenoperation geplant, wie sie jedes Jahr weit über 100.000 mal in Deutschland stattfindet, weshalb ich davon ausging, nach 3-4 Tagen wieder zu Hause und nach vielleicht einer weiteren Woche wieder einsatzfähig zu sein.
Bis zum Freitag Morgen nach der am Dienstag stattgefundenen Operation, sah das auch ganz so aus, als man mir an eben diesem Freitgamorgen noch sagte, dass ich am nächsten Tag entlassen würde. Nachmittags dann, teilte mir der Chirurg mit, er müsse mit mir reden, und in diesem Moment hatte ich mich mal wieder „in den Finger geschnitten“, diesmal mit deutlich weitreichenderen Folgen, von denen die, dass man mir am nächsten Morgen schon wieder in den Hals geschnitten hat, noch die überschaubarste war.
Warum schreibe ich das alles? Einmal finde ich es einfach erwähnenstwert. Außerdem hat es mir die ein oder andere Erkenntnis beschert. Zunächst die (banale?) Erkenntnis, dass es ziemlich oft im Leben anders, manchmal völlig anders, kommt als man denkt, dann dass man sich (nicht mehr ganz so banal?) nicht degegen wehren kann, sondern dass es (meistens?) besser ist, das was geschieht, erstmal so zu akzeptieren, wie es nun mal ist.
Desweiteren die Erkenntnis, dass man im Laufe des Lebens lernt, dass Manches, vor dem man einmal große Angst gehabt hat, im Vergleich zu dem, was das Leben ansonsten noch so für einen bereit halten kann, eigentlich Pillepalle ist. Vor Ärzten mit spitzen und scharfen Werkzeugen habe ich jedenfalls keine Angst mehr und vor Dingen, die mein Leben grundlegend auf den Kopf stellen könnten auch nur noch ein bißchen 😉
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