Angst

8 Dez

… ist ein großes Thema zur Zeit in der Öffentlichkeits.  Und es wird gewaltig Schindluder mit der Angst getrieben. Was im Moment abläuft kann man getrost als Paranoia bezeichnen. Woher kommt das, was ist daran noch rational, warum und wovor haben wir Angst? Da sich auch an meinen eigenen Ängsten viel geändert hat, ein paar Gedanken dazu von mir.

Im Moment wird ja gern mit den Ängstenvor dem Terrorismus gespielt, auch um den Menschen die „Sicherheitsmaßnahmen“ dagegen zu verkaufen, und erstaunlicherweise springen ganz von selbst auch Leute, die es eigentlich besser wissen sollten, darauf an, so die Grünenchefin, die in einem Interview eilfertig bekannte, dass sie die Ängste der Menschen vor dem Terrorismus ernst nähme und zugab selbst Angst zu haben. Dass man die Ängste der Leute ernst nehmen sollte, kann man ja noch nachvollziehen, aber sie selbst sollte eigentlich wissen, dass diese Ängste größtenteils irrational zumindest aber vollkommen übertrieben sind, und es besser wäre, die Menschen über diese Tatsache aufzuklären, als eventuell sogar Maßnahmen mitzutragen, die in keinem Verhältnis zur angeblich beabsichtigten Wirkung stehen.

Was den Terrorismus betrifft, so liegen zwischen dem tatsächlichen dem gefühlten Risiko der Bedrohung Welten, und die für den angeblichen Schutz gegen die Bedrohung aufgenwendeten Mittel stehen in einem grotesken Missverhältnis zu dem Effekt, den sie wirklich maximal haben könnten (aber vermutlich gar nicht haben). Ali Arbia beschreibt das in seinem Blog.

Wie grotesk diese Fehlwahrnehmung ist kann man gut am Riskometer des American Council on Science and Health sehen, auf das o.g. Blog ebenfalls verweist.

Warum schätzen Menschen Risiken so völlig falsch ein? Eine Erklärung ist, das wir uns ein Bild der Welt anhand der Einfachheit machen mit der uns Beispiele einfallen. Das hat auch mit der medialen Präsenz zu tun: Je öfter wir von Meldungen bombardiert werden, desto eher fallen sie uns ins Auge, desto präsenter sind sie auch in den Köpfen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, mit dem Flugzeug abzustürzen denkbar gering ist, ist uns ein Flugzeugabsturz doch viel präsenter als ein Herzinfarkt, über den seltenst in der Anschaulichkeit und Eindringlichkeit berichtet wird wie über Katastrophen.

Das erklärt aber meines Erachtens nur einen Teil der Fehleinschätzung und vor allem nicht die Ängste. Die sind eher durch wirkliche Fehlinformation bedingt. Je diffuser unsere Vorstellungen von etwas sind, desto eher stellen wir uns übertrieben „katastrophale“ Abläufe und Folgen darunter vor. Andersherum denke ich, das konkrete Erfahrungen mit solchen ursprünglich angstbesetzten Dingen, z.B. Krankheiten nicht nur die Vorstellungen und Ängste bezüglich dieses speziellen Zusammenhangs zurechtrücken können, sondern sich auch zumindest auf damit verwandte Dinge im Sinne einer realistischeren und angstfreieren Betrachtungsweise auswirken können. Darüberhinaus glaube ich sogar, dass einen das konkrete Durchleben und Überleben von ehemals angstbesetzten Situationen insgesamt zu einer realistischeren Risikoeinschätzung und ganz allgemeinen Angstbefreiung führen kann, wobei extreme unverarbeitete Traumata natürlich auch das Gegenteil bewirken können.

Ich selbst würde mich in meiner Kindheit, meiner Jugend und frühen Erwachsenenzeit schon als eher ängstlichen Menschen bezeichnet haben.   Vieles, was mir passieren hätte können (aber in der Regel nicht passierte), weitete sich in meinem Kopf zu maximalen Katastrophen aus.

Der absolute Horror allerdings war allerdings der Gedanke an eine Krebserkrankung. Nicht im hypochondrischen Sinne, ich habe nicht daran geglaubt erkrankt zu sein, aber die Vorstellung irgendwann selbst betroffen sein zu können mit allen damit scheinbar verbundenen Katastrophen war schon ziemlich angstbesetzt. Erst als in meiner Umgebung tatsächlich das Phänomen Krebs eine Rolle zu spielen begann und ich mich informierte und merkte wieviele Menschen tatsächlich betroffen sind, habe ich ein realistischeres Verhältnis dazu gewonnen. Jetzt da ich selbst, allerdings mit einer ziemlich guten Prognose, betroffen bin, macht es mir keine Angst mehr, und auch die Vorstellung, ggf. auch mit einer weniger guten Prognose konfrontiert zu werden, schreckt mich nicht mehr besonders.

Ganz allegemein: Mit jeder nicht vermiedenen Herausforderung mit jeder erlebten „Katastrophe“ wurden meine Ängste, auch vor anderen Dingen, geringer, und das umso mehr, je einschneidender das Erlebnis gewesen war.  Auch Schmerzen machen mir nur noch bedingt Angst, obwohl ich selbstverständlich versuche, sie zu vermeiden, wer täte das nicht. Vor allem aber schätze ich Risiken realistischer ein und versuche einfach nur verlässliche Informationen über die tatsächlichen Größenordnungen zu finden. Und so gesehen ist die Panikmache vor Terroranschlägen und der irrwitzige Aufwand, einen doch nur vermeintlichen Schutz davor zu finden, für mich geradezu lächerlich.

Zu behaupten, ich hätte vor nichts mehr Angst, wäre sicher vermessen. Aber ich fürchte mich weniger vor der Zukunft, hadere weniger mit der Vergangenheit und lebe mehr heute. Natürlich möchte ich gern gesund und in Wohlstand steinalt werden, aber ich weiß, dass das – zumindest nicht allein – in meiner Hand liegt, und dass ich es auch anders ertragen kann.

Ist das so etwas wie Gottvertrauen? Könnte sein, ich weiß es nicht, ich bin da kein Experte.

2 Antworten to “Angst”

  1. Mendian 8. Dezember 2010 um 11:11 #

    Menschen haben Angst vor allem, was sie nicht kennen. Was ihnen fremd ist, was sie nicht einschaetzen koennen. Kinder kennen keine Aengste. Ausser, wenn sie diese von Erwachsenen eingegeben bekommen (Fass den Hund nicht an, der beisst. / Wenn du nicht artig bist, dann … / Trau keinem Fremden.) Aengste entstehen durch Erfahrungen, durch unsere eigenen Erfahrungen oder durch die von anderen. Als Kind war uns kein Baum zu hoch, kein Bach zu tief. Wir machten uns keine Gedanken, was passieren koennte. Erst mit zunehmenden Alter fing man an darueber nachzudenken.

    Vor was haben Menschen am meisten Angst? Vor Dingen, die passieren koennen OHNE dass man selbst Einfluss darauf hat. Man hat Angst vor Unfaellen, vor Krankheiten, vor Anschlaegen, davor, dass einem morgen der Himmel auf den Kopf fallen koennte. Man bleibt daheim, man sperrt sich ein, nur um in ‚Sicherheit‘ zu sein. Und dann schneidet man sich beim Kartoffelschaelen…

    Man kann Risiken vermeiden, aber eine 100%ige Sicherheit wird es nie geben. Man lernt mit seinen Aengsten zu leben. Fatal wird es allerdings, wenn die Aengste das Leben bestimmen.

    Woran ich mich bei diesem Blog erinnere, war die Frage, ob ich Angst vorm Sterben haette. Im ersten Augenblick wollte ich ‚ja‘ sagen, aber nach kurzem Nachdenken war die Antwort ‚Nein, vor dem Sterben habe ich keine Angst. Aber ich habe Angst um Euch, wie ihr mit meinem Sterben umgehen werdet. Was werdet ihr tun? Werdet ihr weiterleben wie bisher?‘ Mit diesem Beispiel will ich sagen, dass viele unserer Aengste eigentlich mehr die Angst um andere ist.

    Ich bin mittlerweile nicht mehr so risikofreudig wie ich einmal war. Ich waege ab. Und doch nehme ich jeden Tag das groesste Risiko auf mich: Das Leben!

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  2. drkall 8. Dezember 2010 um 11:24 #

    Ich glaube, es ist gar nicht mal das Unbekannte an sich, das die Angst macht. Viele meiner Ängste haben sich aufgelöst oder doch zumindest verringert, nachdem ich Sachen durchlebt und überlebt habe, die für mich vorher immer ungeheure Katastrophen bedeutet hätten. Das hatte auch Auswikungen auf andere Dinge, die vorher angstbesetzt waren aber mit den durchlebten Sachen gar nichts zu tun haben. Die Erfahrung an sich, dass ich Sachen heil überstehen kann, die für mich früher katastrophale Bedeutung hatten, lassen mich auch andere Dinge, die ich konkret überhaupt noch nicht kenne, und von deren Umständen ich eine eher vage Vorstellung habe, viel gelassener sehen. Das Erleben des Einen hat die Frucht vor dem unbekannten Anderen relativiert.

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