Köstliche Weisheit

15 Dez

Als die Todesstunde des Zen-Meisters Taji nahte,
versammelten sich an seinem Bett die Schüler,
die schon seit vielen Jahren bei ihm waren.
Einer von ihnen hatte sich erinnert, dass der
Meister eine bestimmte Art Gebäck besonders
schätzte. Daher hatte er den halben Tag in Tokios
Bäckereien mit der Suche nach diesem feinen
Backwerk zugebracht, um ihn noch einmal damit
erfreuen zu können.
Mit einem matten Lächeln nahm der sterbende
Meister ein Stück Gebäck entgegen und begann,
es langsam zu zerkauen. Als seine Kräfte schwanden,
wollten die Schüler wissen, ob er noch eine
allerletzte Mitteilung für sie habe.
»Ja«, erwiderte der Meister.
Voller Erwartung beugten sich die Schüler vor,
um bloß kein Wort zu verpassen. »Sag es uns!«
»Meine Güte, ist dieses Gebäck köstlich!«, sagte
der Meister und verließ seinen Leib.

Ist es nicht wunderbar, wie einfach das ist?

10 Antworten zu “Köstliche Weisheit”

  1. Sue 15. Dezember 2011 um 09:57 #

    Schöne Geschichte. Gefällt mir richtig gut.

    lieben gruss sue

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  2. katerwolf 15. Dezember 2011 um 17:28 #

    eine schöne geschichte!

    alles liebe, katerwolf

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  3. dreamsandme 16. Dezember 2011 um 11:01 #

    Wenn ich ein alter (!) Zenmeister bin, und meine natürliche Todesstunde gekommen ist, dann würde mir mein letzter Bissen vermutlich auch besser schmecken…

    Du verstehst?

    Sei lieb gegrüßt,
    Sunny

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    • Karl 16. Dezember 2011 um 11:21 #

      😉

      Ich ziehe für mich daraus eher diese Lehre:

      Egal was passiert, ob Du gerade Deiner Lieblingsbeschäftigung nachgehst oder im Sterben liegst: Es gitbt nichts Wichtiges, es zählt nur dieser Augenblick, nur das JETZT.

      Und wenn gerade in diesem Augenblick ein Gebäck köstlich schmeckt, dann ist eben gerade diese Tatsache in diesem Augenblick das einzige was zählt.

      Und auch dieses: Nicht das Altwerden zählt und auch nicht das Nachdenken darüber, ob ich überhaupt alt werde und wie alt ich werde. Denn schon das hält mich davon ab JETZT so zu leben, dass ich mich in diesem Moment mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigen kann. Das Grübeln darüber stiehlt mir mein Leben im Jetzt.

      Allein dies zu versuchen, aufzuhören, sich mit dem Älterwerden und Altwerden zu beschäftigen, ist eine Lebenausfgabe für sich und nicht einfach, aber eine lohnende, denn dadurch wird das tatsächliche Leben reicher, egal wie lange es dauern mag.

      Nachtrag:
      Es mag anmaßend klingen, aber ich habe keine Angst mehr vor dem Tod, nicht einmal mehr sehr vor dem Sterben. Und wenn es etwas Positives gibt, das diese Erkrankung bei aller guten prognose bewirkt hat, dann ist es eben dieses.

      Natürlich mache ich mir Gedanken darüber, was es z.B. für meine Familie bedeutan würde, wenn ich den morgigen Anbend nicht erleben würde, ich weiß, dass sie sehr schlecht versorgt wäre, und das bedrückt mich. Und natürlich WÜNSCHE ich mir den Tod nicht herbei.

      Aber er schreckt mich eben auch nicht mehr, und ich habe auch keine Angst mehr, irgendetwas „Wichtiges“ zu verpassen. JETZT könnte ich auch eine Verschlechterung der Prognose oder einen Zweitkrebs akzeptieren, auch wenn das alles andere ist, was ich mir wünschen würde. Vor meiner Diagnose war für mich dieses Wort „Krebs“ der Albtraum schlechthin, damit als Betroffener konfrontiert zu werden die Mutter aller Katastophen. Und eine Weile habe ich damit gehadert, aber DAS zumindest ist vorbei. Das bedeutet auch keinesfalls, dass mich die Einschränkungen, die das mit sich gebracht hat nicht hin und wieder stören, aber auch die müssen mich nicht von einem Leben hier und jetzt abhalten.

      Und natürlich suche ich weiterhin Unterstützung von außen, wie ich an andere Stelle vor kurzem ja geschrieben habe. Aber dabei geht es eher darum, mit den Einschräkungen zu leben, die konkreten Probleme des Alltags zu bestehen und vor allem die ein oder andere Verletzung der Vergangeheit aufzuarbeiten, die durch eben diesen Stein, den mir die Diagnose in den Lebensweg gelegt hat, ans Tageslicht gekommen sind und lange verdrängt waren.

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      • dreamsandme 16. Dezember 2011 um 12:00 #

        Ja, ich hab die Grundaussage schon verstanden und wollt auch gar nicht so allgemein kritisieren, mich erreichte nur der alte Zenmeister in diesem Beispiel nicht!

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        • Karl 16. Dezember 2011 um 12:14 #

          War auch ganz bestimmt nicht als Kritik an Deinem Kommentar gemeint sondern als allgemeines Statement, zu meinem Verständnis dieser für mich sehr schönen Geschichte, mit der ich mich auf geheimnisvolle Weise sofort ganz kuschelig wohl gefühlt habe. Deshalb steht sie ja auch hier 😉

          Soclhe Geschichten erreichen natürlich nicht jeden auf die gleiche Weise.

          Aber Dein Kommentar hat mich auch angeregt, mir ein bischen von dem, was mit mir zum Thema Sterben etc. in den letzten zweieinhalb Jahren passiert ist, bewusst zu machen, und das was dabei herausgekommen ist, hat mich selbst ein wenig überrascht, aber es ist tatsächlich so.

          Und weil das so überraschend ist, bastele ich vermutlich demnächst mal einen Neuen Beitrag aus diesem Kommentar, weil ich ahne, dass da noch ein paar weitere Überraschungen auf mich warten, wenn ich da nochmal drüber nachdenke. Ich habe unter anderem in der Reha auf Trancereisen nach meiner Gelassenheit gesucht und sie auf einer Reise auch in mehr abstrakter Weise gefunden. Hier ist sie eben beim Resümieren an einer Stelle sehr konkret geworden.

          Insofern war also Dein Kommentar auch ein Augenöffner für mich. 😉

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          • dreamsandme 16. Dezember 2011 um 12:17 #

            Puh, dann bin ich erleichtert! 😆 Aber ich wusste ja eigentlich im Innersten, dass ich das schreiben kann, ohne dass du mir böse bist!

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      • dreamsandme 16. Dezember 2011 um 12:11 #

        Angst hab ich schon vor dem Tod, (weniger vor dem Sterben) und vor dem, was ich alles verpassen würde. Ich liebe mein Leben und will es nicht hergeben, unter gar keinen Umständen. Naja, vielleicht kommt diese Weisheit noch… 😉

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  4. Wolfgang 18. Dezember 2011 um 15:33 #

    Ich finde die Geschichte schön…und hoffe darauf, ebenso gelassen zu sein, wenn es bei mir einmal soweit ist.

    Liebe Grüsse,
    Wolfgang

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  1. Angst vor dem Tod? « Kall's Einwürfe - 23. Dezember 2011

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