Ein Versuch

20 Jan

Nach einer im letzten Spätherbst gestellten Anfrage hab ich vor einer guten Woche nun das go von meiner Nachsorgeärztin bekommen und kann einen Versuch mit einer anderen Schilddrüsenhormonsubstitution starten. Das Folgende ist ein bisschen insidermäßig, aber ich will den Versuch irgendwie verständlich machen.

Da ich keine Schilddrüse mehr habe, muss das, was sie früher produziert hat, von außen zugeführt werden. Nach der chirugischen Entfernung wurde durch die Behandlung mit radioaktivem Jod versucht auch die allerletzten Reste von Schilddrüsengewebe oder solchem, das davon abstammt, wie auch die Tumorzellen, zu zerstören. Soweit dies nachweisbar ist, wurden  6 Monate danach keine Reste mehr gefunden. Um Rezidive zu verhindern ist man interessiert nach Möglichkeit jegliches Nachwachsen von schilddrüsenstämmigem Gewebe zu verhindern, falls irgendwo noch Zellen die Prozedur überlebt haben sollten.

Schilddrüsengewebe wird zum Wachstum und zur Vermehrung angeregt, wenn wenig Schilddrüsenhormone vorhanden sind und umgekehrt wird das Wachstum unterdrückt, wenn viel SD-Hormone im Körper unterwegs sind. Das körpereigene Signal das dem SD-Gewebe den Hormonstatus anzeigt und ggf. reagieren lässt ist das Niveau des schilddrüsenstimulierenden Hormons TSH, das in der Hirnanhangdrüse gebildet wird. Seine Bildung wird durch Hormonmagel stimuliert und durch Überschuss unterdrückt. Ziel ist es also bei Schilddrüsenkrebspatienten die Bildung des TSH möglichst weitgehend zu unterdrücken. Der Normwert für das TSH hat einen relativ weiten Bereich von 0,3 (andere Quellen 0,4 oder 0,5) bis 4,5 (andere Quellen 2,5) mU/l.  SD-Krebspatienten, so auch ich, werden in der Regel zumindest in den ersten Jahren auf Werte unter 0,1 mU/l eingestellt, also unterhalb des Normbereichs auf einen Wert, der normalerweise eine SD-Überfunktion anzeigen würde, später dann je nach Risikolage ggf. am untersten Normbereich.

Der Ersatz des von der SD nicht mehr produzierten Hormons geschieht in aller Regel durch Einnahme von L-Thyroxin (T4), einer Form des SD-Hormons, das eine intakte Schilddrüse produziert. Das T4 wird in den Zielgeweben zum physiologisch wirksamen Trijodthyronin (T3) dejodiert, und zwar je nach aktuellem Bedarf, soweit die Theorie. Unter TSH Supression befindet man sich physiologisch in einem Zustand der einer Schilddrüsenüberfunktion bei intakter SD gleichkäme, mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und das physische und psychische Befinden, wie etwa Hitzempfindlichkeit, leichte Erregbarkeit, Heißhunger ect.  und auch erhöhte Langzeitrisiken für Herz-Kreislauferkrankungen und Osteoporose. Um diese Auswirkungen möglichst erträglich zu halten wird heutzutage versucht, die Hormondosis so einzustellen, dass das Ziel der TSH-Unterdrückung geradeso erreicht wird mit der dafür niedrigst möglichen Dosis (die allerdings in der Regel immer noch deutlich über dem tatsächlichen Bedarf liegt). So habe ich die Dosis im Laufe der 3,5 Jahre schon von über 200µg auf 162 µg Thyroxin  / Tag reduzieren können. Die Risiken und Auswirkungen können auch durch zusätzliche Einnahme von Carnitin veringert werden, was ich ebenfalls zu mir nehme.

Die Theorie, dass aus dem T4 in den Zielgeweben nach Bedarf das stoffwechselaktive T3 gebildet wird, ist eine etwas grobe Vereinfachung, denn eine intakte Schilddrüse bildet neben T4 auch in geringerem Umfang selbst T3, was bei fehlender SD und reiner T4-Substitution natürlich nicht der Fall sein kann. Außerdem ist die Aktivität der Dejodasen, die diese Umwandlung in den Zielgeweben bewirken bei verschiedenen Menschen unterschieldich ausgeprägt. So stellt sich im Blut von etlichen Menschen bei reiner T4-Substitution ein unnatürlich hohes Verhältnis von T4/T3 ein, was auch bei mir der Fall ist. Durch eine reine T4-Substitution kann auch die natürliche tageszeitliche Schwankung des Levels von T3  nicht abgebildet werden. Ich habe am frühen bis späten nachmittag ein massives Leistungstief mit Müdigkeitsphasen, die mich teilweise vor dem Bildschirm einnicken lassen, und Konzentrationsproblemen. Andererseits spüre ich trotz Carnitin die Überfunktionssymptome wie leichte Erregbarkeit noch deutlich.

Es gibt nun einige wenige Erfahrungen mit einer kombinierten Substitution mit T4 und T3 (L-Thyroxin und Thybon) und für Nichtkrebspatienten auch eine erste Leitlinie, wie diese zu geschehen hat. Wir wollen jetzt dieses Vorgehen ausprobieren und ich werde die Thyroxindosis auf 137µg veringern und durch 10-20 µg T3 (Thybon) aufgeteilt auf morgens und abends ergänzen. Ich hoffe so den natürlichen Verlauf des T3 Levels mit einem späten nächtlichen Maximum besser abzubilden und ein besseres Befinden insbesondere weniger Müdigkeit und Konzentrationsprobleme am  Nachmittag zu erreichen. Da das T3 stärker TSH-unterdrückend wirkt, ist es nicht nötig, die gesamte veringerte Menge an T4 durch T3 zu ersetzen. Ich erhoffe mir auch ein T4/T3-Verhältnis, das näher an den normalen Werten liegt.

Das Ganze ist relativ experimentell, weil noch wenig Erfahrungen vorliegen, und ich bin dankbar, dass meine Ärztin das begleiten und unterstützen will, da nicht alle Nuklearmediziner und Endokrinologen von diesem Vorgehen überzeugt sind, die meisten lehnen es eher ab, wohl weil es wenig Erfahrung gibt und auch nicht immer funktioniert. Nur, wo soll die Erfahrung herkommen, wenn man es nicht probiert. Es  soll zunächst mal für 3 Monate getestet werden. Wenn die Blutwerte inkl. TSH-Supression dabei brauchbar sind und sich auch das Befinden positiv entwickelt, wird es weitergeführt, wenn nicht, kehre ich zur alten Einstellung zurück. Ich will es zumindest versucht haben.

3 Antworten zu “Ein Versuch”

  1. Sue 20. Januar 2013 um 14:17 #

    Hallo Karl,

    ich finde das klingt durchaus plausibel und ich kann gut verstehen, dass Du das versuchen möchtest.
    Bei mir kommt die Müdigkeit ja meist eher vom Cortisonmangel, aber ätzend ist das auch. Die Müdigkeit vermittel auch so ein unfittes und leistungsschwaches Gefühl.
    Ich denke vielen Ärzten ist das schlicht und ergreifend zu „aufwändig“. Da gehört viel Verständnis der Dinge auf der Seite des Patienten dazu. Die alte Substitutionsmethode verlangt nicht so viel Aufklärung und Erklärung 😉
    An Deiner Stelle würde ich es ebenso machen, denn es kommt den normalen Hormonwerten/-verhältnissen, doch ein wenig näher.

    Ich drücke Dir die Daumen, dass Du damit den gewünschten Erfolg hast.

    Gruß Sue

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  2. petra 24. Januar 2013 um 17:43 #

    hallo,

    ich drücke dir die daumen, das die medikamente deine beschwerden verbessern.

    ich selbst habe hashimoto und so gut wie kein funktionierendes schilddrüsengewebe mehr.
    mir geht es mit 200 euthyrox und je eine halbe thybon morgens und mittags sehr gut. viele beschwerden haben sich mit der thyboneinnahme gebessert. anfänglich hatte ich nachmittags ein leichtes druckgefühl im kopf (so wie anfangende kopfschmerzen) hat sich aber recht schnell gelegt.

    das wird, das ganze. es braucht halt zeit seine dosis zu finden.

    alles gute

    petra

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  3. katerwolf 31. Januar 2013 um 09:35 #

    Ich wünsche dir ein großes TOITOITOI!!!!

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