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Prävention

11 Sept

Im Moment läuft gerade eine große Kampagne zur Primärprävention von Krebserkrankungen an, im wesentlichen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe betrieben. Hintergrund ist, dass theoretisch(!) etwa 40% aller Krebsneuerkrankungen vermieden werden könnten, wenn alle(!) Menschen sich in ihrem Lebensstil entsprechend optimal(!) verhalten würden. Damit ist aber auch schon gesagt, dass diese Zahl eine wirklich theoretische ist, die in der Praxis weit davon entfernt ist, erreichbar zu sein. Dies wird bei der Kampagne allerdings nicht erläutert, denn 40% klingt natürlich besser als die 10-20%, die sich vermutlich bei einiger Anstrengung tatsächlich maximal erreichen ließen.

Die 40% würden nämlich bedeuten, dass niemand mehr raucht, alle weitgehend auf Alkohol verzichten, alle ihr Idealgewicht erreichen und halten, alle sich maximal gesund ernähren, alle mindestens 5 mal 20min in der Woche Sport treiben, alle genügend schlafen und einiges mehr, und zwar eben alle und alles gleichzeitig. Da im wesentlichen ohne weitere Erläuterung von diesen 40% vermeidbaren Krebserkrankungen zu reden, halte ich für etwas unredlich.

Nun macht ja Primärprävention durchaus Sinn. Jede verhinderte Krebserkrankung ist verhindertes Leid, nicht nur für die Erkrankten selbst sondern auch für die in aller Regel mitbetroffenen Angehörigen und Bezugspersonen. Jede verhinderte Krebserkrankung bedeutet auch eine Menge eingesparte Kosten, was die eigentliche Behandlung der Erkrankung und ihrer Folgen (Langzeitfolgen, psychische Störungen ect. auch der Mitbetroffenen) betrifft, aber auch gesellschaftliche Folgekosten durch Arbeitsausfälle, Frühverrentung etc. Ein Aspekt, an dem man einfach nicht vorbei kommt, und wenn es nur darum geht, den verbliebenen Erkrankten eine optimale und leider auch immer teurer werdende Therapie zu ermöglichen (die allerdings auch dazu beträgt, dass viele Erkrankte wieder oder länger ins Arbeitsleben zurückkehren können und dadurch wiederum gesellschaftliche Folgekosten abgemildert werden).

Allerdings sollten solche Kampagnen zu zwei Dingen nicht führen, die leider immer öfter zu beobachten sind: 1. Victim blaming und 2. ein massiver gesellschaftlicher Zwang zur Selbstoptimierung.

Erstens kann man eine konkrete Krebserkrankung einer konkreten Person praktisch nie auf eine konkrete Ursache zurückführen. Einem einmal erkrankten Raucher die Schuld an seiner Erkrankung zuzuweisen ist schlicht Blödsinn, weil eben auch lebenslange Nichtraucher an Lungenkrebs erkranken können, ohne dass eine konkrete Ursache fassbar wäre und andererseits auch Kettenraucher ohne eine Lungenkrebserkrankung davon kommen können. Exakt das gleiche gilt für alle anderen Lebensstilfaktoren. Auch die penibleste Einhaltung sämtlicher Empfehlungen dazu verhindert nicht sicher, irgendwann von irgendeiner Krebserkrankung betroffen zu sein. Es geht immer nur um Wahrscheinlichkeiten und Verringerung von Risiken, was durchaus möglich ist. Die Schuldfrage lässt sich nicht klären, und für die Betroffenen ist sie auch überhaupt nicht mehr relevant.

Obwohl dies insbesondere den Fachleuten rund um Krebserkrankungen bekannt sein sollte, wird bisweilen sogar von diesen victim blaming, also Schuldzuweisung an die Betroffenen betrieben, was nicht ohne Auswirkung auf das Verhalten und die Meinungen in der Gesellschaft insgesamt bleibt. Hier tut allgemeine Aufklärung not, die am besten in Verbinung mit einer Kampagne wie der jetzigen betrieben würde, was aber leider nicht der Fall ist. Leider ist eben zu erwarten, dass sich der Trend, Erkrankten, nicht nur von Krebs Betroffene, die Schuld für ihre konkrete Erkrankung zuzuschieben, verbunden leider auch oft mit der Forderung nach einer Sanktionen im Erkrankungsfalle, fortsetzt. Das bedeutet letztlich Menschen dafür bestrafen zu wollen, dass sie krank geworden sind, obwohl im konkreten Falle nicht nachgewiesen werden kann, was genau und ob ein konkretes, eindeutig benennbares Fehlverhalten die Ursache war.

Zweitens ist die Forderung nach einem gesunden Lebensstil natürlich auch gleichzeitig eine Forderung nach Selbstoptimierung. Das ist zunächst einmal nicht schlimm, solange das nicht zur gesellschaftlichen Ächtung derer führt, die dieser Forderung nicht oder nicht im vollen Umfang (was letztlich auch gar nicht möglich ist) nachkommen, aus welchen Gründen auch immer, die nicht bewertet werden sollten. Bodyschaming, religiös überhöhte Ernährungsideologien, die genau als solche aggressiv vertreten werden, manisches Sporttreiben mit Ausgrenzung derer, die sich nicht daran beteiligen wollen oder können, und andere Auswüchse sind letztlich die mittelbaren Folgen eines verstärkten gesellschaftlichen Zwanges zur Selbstoptimierung.

Ob und wie weit ich mich selbst optimieren kann und will muss am Ende immer noch ich selbst und ohne Zwang entscheiden können. Sanktionen sind nicht sinnvoll, Belohnungen im Einzelfall ggf. schon. Forderungen nach höheren Beiträgen zur Krankenversicherung für Bewegungsmuffel oder Raucher wurden durchaus schon laut, sind aber ganz sicher der falschen Weg und führen am Ende zu Diskriminierungen. Belohnung in Form von Bonusprogrammen können hingegen einen positiven Effekt bringen, sollten aber richtig konzipiert sein.

Wegschauen

29 Jul

Sollte man vielleicht wirklich manchmal wegschauen angesichts der vielen Schreckensmeldungen, die auf uns einprasseln, wie der Titel des Artikles  „Mut zum Wegschauen“ in der SZ suggerieren könnte?

Kann man überhaupt wegschauen, den Wahnsinn um uns herum verdrängen? Ich vermute nein. Es dürfte mittlerweile illusorisch sein, sich von allen Nachrichtenkanälen abkoppeln zu wollen und einfach Augen und Ohren vor allem um einen herum zu verschließen. Das geht nicht, und es ist vermutlich auch kaum sinnvoll. Wirklich wegschauen und Weghören meint der Artikel aber auch nicht. Noch nicht mal ignorieren meint er, denn auch das ist schwierig bis unmöglich und auch gar nicht sinnvoll. Wenn in meiner Nähe ein Polizeiwagen mit Lautsprecherdurchsage vorbeifährt und mir bedeutet, ich solle in den nächsten Stunden wegen einer Gefahrenlage besser zuhause bleiben, dann ist das sehr sinnvoll diese Aufforderung nicht zu ignorieren sondern in der Regel besser sie zu befolgen und auf weitere Nachrichten zu warten.

Was gemeint ist, ist wohl eher, sich nicht von einer allgemeinen Panik anstecken zu lassen, nicht Ängste bei sich schüren zu lassen, nicht in Aktionismus oder auch Rückzug zu verfallen – und vielleicht auch nicht unbedingt bei jeder Meldung sofort in den Chor der Betroffenen laut einzustimmen, wenn man selbst nicht wirklich betroffen ist. Letztere Aufforderung kann man leicht falsch verstehen und als Herzlosigkeit auslegen. Wenn man ehrlich betroffen ist, wenn man ehrliche Empathie empfindet, dann kann uns darf man diese natürlich zum Ausdruck bringen. Aber man muss nicht pro Forma, weil es eben grad alle so machen, in den großen Chor mit einstimmen, Profilbilder umfärben, „pray for …“ – Memes verteilen, wenn es einen nicht wirklich intensiv betroffen hat. Es ist nicht herzlos, das sein zu lassen und auch nicht pietätlos, in der Stadt wo vor zwei Tagen ein Anschlag geschah wieder „normal“ zu leben und etwas zu tun, was einem Spaß und Entspannung bringt, grillen, ausgehen ect. Es bringt keinem etwas in eine allgemeine Paranoia zu verfallen und aus irrationalen Ängsten öffentliche Veranstaltungen, Bahnhöfe, Flughäfen oder sonstwas zu meiden, am wenigsten denen, die zu Opfern geworden sind. Derer kann man gedenken, selbstverständlich, man sollte sie aber auch nicht instrumentalisieren, wie das immer wieder und praktisch in Sekunden nach einem solchen Ereignis geschieht. Wo wir helfen und nützlich sein können, sollten wir das tun. Des Voyeurimus sollten wir uns enthalten. Dazu gehört auch aus meiner Sicht, dass man nicht begierig jede einzelne Nachricht, die oft genug doch zunächst nur Spekulation ist sofort aufsaugen und vor uns selbst und anderen bewerten. Ich muss zugeben, dass mir das oft auch nicht spontan gelingt, dass ich mich dazu auch erst selbst zur Ordnung rufen muss. Man kann das aber üben.

Das Risiko, Opfer eines Terroranschlages oder auch eines Amoklaufes zu werden ist, selbst wenn sich diese noch erheblich vermehren sollten, gegenüber den ganz alltäglichen Risiken für Leib und Leben, denen wir uns völlig selbstverständlich ohne mit der Wimper zu zucken jeden Tag aussetzen, verschwindend gering. Genau diese irrationale Angst, diese vermeintliche Ohnmacht (die in vieler anderer Hinscht viel realer ist als gerade bei den Anschlägen), die sich ausbreitende Paranoia ist ja das, was zumindest die Terroristen bezwecken, und womit sie ganz offensichtlich recht erfolgreich sind, wenn ich die vielen Äußerungen zur Angst aus meiner Umgebung  bedenke. In der Zeit zwischen den 70ern und 90ern kamen in Deutschland im Durchschnitt pro Jahre doppelt so viele Menschen durch Terroranschläge ums Leben wie in den Jahren danach bis heute. Amokläufe gab es zu jeder Zeit, über die Opferzahlen habe ich keine konkreten Informationen, ich glaube aber nicht, dass sie früher wesentlich unter den heutigen lagen. Es ist um eine vielfaches wahrscheinlicher an seinem Esssen zu ersticken als Opfer eines Anschlages zu werden. Das Essen stellen wir ja auch nicht deshalb ein, weil es die sehr geringe Wahrscheinlichkeit gibt, dabei ums Leben zu kommen, warum dann die groteske Angst vor Terroranschlägen, bei denen die Wahrscheinlichkeit zum Opfer zu werden noch viel geringer ist? Das Risiko Opfer zu werden ist selbst dann noch viel geringer, wenn die Anschläge noch deutlich zunehmen sollten.

Wir sollten gelassener mit den Geschehnissen umgehen, uns informieren wie groß, bzw. wie winzig klein die Risiken im Vergleich zu anderen sind. Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber und nützt niemandem außer den Tätern. Gelâzenheit auch im Eckhartschen Sinne, Gleichgültigkeit anstreben nicht im negativen Sinn als Wegschauen, sondern die Dinge und Geschehnisse gleich gültig sein zu lassen, sie gelten zu lassen so, wie sie nun einmal geschehen sind und sich nicht rückgängig machen lassen.

War das jetzt gut für mich mit dem Herrn Schmitz?

19 Okt

Ich bin ja außer hier auch in Facebook unterwegs. Das ist bzw. war für mich bisher überwiegend eher ein Platz zum Blödeln, Rumheulen ect., dies meist in einem kleineren Kreis. Ich nehme dort auch schon öfter mal zu aktuellen Dingen Stellung, geht halt fixer, ja und unverbindlicher als mit einem Blogbeitrag. So weit, so gut und schön. Eigentlich wollte ich dies und den Blog hier ja einigermaßen getrennt halten, zumindest was Verweise von hier auf Facebook angeht. Aber aus einigen aktuellen Anlässen, unter anderem auch wegen des Mordanschlags auf Henriette Reker, will ich da mal ein wenig von abgehen.

Bei der Erweiterung meiner Facebook-„Freundes“liste gehe ich eher sparsam vor, und so ist sie recht übersichtlich, vor allem eigentlich nicht mit „öffentlichen“ Personen gefüllt. Vor nicht allzu langer Zeit ist Heinrich Schmitz hinzu gekommen, eben jener aus diesem Beitrag. Das kam daher, dass ich nach der Geschichte mit der Petition und der hinterhältigen Aktion gegen ihn einige seiner meist öffentlich geposteten Facebook-Beiträge interessehalber gelesen und ihm daraufhin eine „Freundschaftsanfrage“ geschickt habe, die er freundlicherweise akzeptierte. Ich wollte mehr erfahren hauptsächlich über sein Engagement in Sachen Flüchtlingen. Nun stimme ich vielleicht nicht mit jedem Wort, das er so schreibt, bis auf den Buchstaben genau überein, aber die grobe Chemie stimmt einigermaßen.

Was das jetzt für diesen Blogbeitrag interessant macht, ist nicht so sehr, das, was er schreibt, sondern das, was ich durch ihn über die rechte, braune und fremdenfeindliche Szene erfahren habe. Nicht durch ihn selbst sondern dadurch, dass er regelmäßig auf Timelines und in Threads dieser – Widerlinge (mir fällt kein besseres Wort ein) – durch seine Kommentare dagegen hält, was neudeutsch wohl als Counterspeak bezeichnet wird.

Was ich da gesehen habe, übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen und ist manchmal geeignet alle Hoffnung auf den Sieg der Vernunft gegen dumpfen Nationalismus und teilweise tiefbraunes Gedankengut und eben leider auch offenbar die Bereitschaft zu entsprechenden Taten fahren zu lassen. Mir wird manchmal im Wortsinne physisch übel, wenn ich da mitlese, und es wird mir wirklich sehr unbehaglich. Ich bekomme gelegentlich wirkliche Angst, was alles passieren könnte, wenn sich das weiter so ausbreitet und radikalisiert, wie es zur Zeit immer noch geschieht.

Immer öfter kann ich mich dann nicht mehr zurückhalten und mische mich ebenfalls ein. Intellektuell ist das das meist keine große Herausforderung, emotional schon. Ich bewundere die Menschen wie Schmitz, deren Nervenkostüm das scheinbar ohne größeren Schaden aushält, da täglich immer wieder gegenzuhalten und das nicht aus Selbstschutz zu ignorieren. Gelegentlich tue ich das, wenn es gar zu arg zu werden droht, weil mir manches von diesem hetzerischen Geschwätz doch ziemlich an die Nieren geht.

So komme ich zurück zur Titelfrage: War das jetzt gut, dass ich Heinrich Schmitz geadded habe und nun Dinge mitbekomme, die ich mir so schlimm nicht vorgestellt habe? Oder hätte ich das zur Schonung meines eher labilen Nervenkostüms besser sein gelassen?

Vermutlich war es letztendlich gut, und ich sollte mich wohl immer mal wieder ebenfalls einmischen, wenn ich es aushalte. Zumindest kann ich nicht mehr behaupten, von nichts gewusst zu haben.

Tierversuche

7 Mai

begeistern mich nicht, haben mich noch nie begeistert, auch nicht, bevor ich von einer Krebserkrankung betroffen war.

Ich bin ja gelernter Biologe und bin im Studium fast zwangsläufig mit Tierversuchen in Berührung gekommen. Ich hab immer versucht, sie für mich soweit wie möglich zu vermeiden, was nicht in allen Fällen möglich war. Letztlich hat mich die Verwendung von tierischem Material (in dem Fall frisch zu präpariendes Rinderherz aus dem Schlachthof) dazu bewogen eine ganze Weile (ovo-lacto)vegetarisch zu leben. Auch wenn ich mittlerweile wieder Fleisch esse, dürfte sich das erheblich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt bewegen.

Nun soll es in den nächsten Tagen eine Anhörung zu einer Petition einer europäischen Bürgerinitiative namens „Stop Vivisection“ geben, die zum Ziel hat tierxperimentelle Forschung generell und in allen Fällen zu verbieten. Bei allem Verständnis und bei aller Sympathie für den Tierschutz halte ich das für gelinde gesagt völligen Schwachsinn, so hart muss ich das leider ausdrücken. Und das trifft mich als von einer Krebserkrankung Betroffener ganz besonders. Allein der Titel der Initiative suggeriert etwas, was so definitiv nicht zutrifft. Die Zeiten vereinzelter Tierexperimente, die wirklich den Charakter von Vivisektionen hatten sind längst vorbei. So etwas wird heutzutage keine Genehmigung mehr erhalten, und in der Arzneimittelforschung gilt dies sowieso. Man kann durchaus die Frage stellen, ob Tierexperimente  für Kosmetika wirklich und vor allem in größerem Umfang sein müssen. Für die medizinische Forschung sind sie bis auf weiteres unverzichtbar.

Keines, aber wirklich keines der neuentwickelten Krebsmedikamente, die zu einer dramatischen Verbesserung der Lebenserwartung und auch der Lebensqualität Betroffener geführt haben, wäre ohne tierexperimentelle Forschung möglich gewesen. Es hat erhebliche Anstrengungen gegeben, den Einsatz von Versuchstieren zu begrenzen, und es gibt durchaus Fortschritte in dieser Richtung. Aber keine der bisher entwickelten Alternativen kann Tierexperimente in bestimmten Phasen der Entwicklung völlig ersetzen, und das wird auf absehbare Zeit so bleiben. Ich bezweifle wirklich sehr ernsthaft, dass alle Zeichner dieser Petition im Ernstfall bereit wären auf alle Medikamente und Therapien, die unter Einsatz von Versuchstieren entwickelt wurden, zu verzichten, weil dann schlicht und ergreifend fast gar keine mehr übrig blieben, zumal bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs. Im Übrigen müssten sie sich dann in der Regel selbst einer Vivisektion unterziehen, weil so ziemlich alle modernen Narkotika ebenfalls unter Einsatz von Tierexperimenten entwickelt wurden und sie sich konsequenterweise dann bei vollem Bewusstsein operieren lassen oder eben auf eine Behandlung verzichten müssten.

Als selbst davon Betroffener und in der diesbezüglichen Selbsthilfe Tätiger liegt mir der Schilddrüsenkrebs natürlich besonders am Herzen. Schilddrüsenkrebspatienten in fortgeschrittenen Stadien, in denen eine Radiojodtherapie mangels nicht mehr vorhandener Jodspeicherung in den Tumorzellen nicht mehr griff, und bei denen die operativen und radioonkologischen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, stand in der Vergangenheit im Gegensatz zu den meisten anderen Krebserkrankungen keine wirksame medikamentöse Behandlung mehr zur Verfügung. Klassische Chemotherapeutika waren und sind unwirksam. Erst in den letzten Jahren taten sich mit den neu entwickelten Tyrosinkinaseinhibitoren zum ersten Mal neue Optionen auf, die auch für diese Patienten noch die Aussicht auf zusätzliche Lebenszeit bei erträglicher Lebensqualität eröffneten. Weitere befinden sich in der Entwicklung bzw. in Zulassungsstudien. Wohlgemerkt, auch diese Medikamente haben erhebliche Nebenwirkungen, aber sie sind besser als gar keine Option, und ich kenne persönlich mehrere Betroffene, die bereits längere Zeit damit zurechtkommen und froh über diese Möglichkeit sind. Diese Option stünde ohne tierexperimentelle Forschung definitiv nicht zur Verfügung und eine Weiterentwicklung in Richtung noch besserer Wirksamkeit und ggf. Verträglichkeit wäre ebenfalls in Frage gestellt.

Bei anderen Krebserkrankungen, bei Autoimmunerkrankungen und anderen schweren und lebensbedrohlichen Erkrankungen ist die Situation ähnlich. Ohne tierexperimetelle Forschung keine weitere Verbesserung der Versorgung der Betroffenen.

Ich hoffe inständig, die Europaparlamentarier werden sich nicht durch völlig überzogene Darstellungen und Fehlinformationen blenden lassen und sich umfassend informieren. Ich werde in jedem Fall noch versuchen einige von ihnen mit einem persönlichen Anschreiben zu erreichen, allerdings drängt die Zeit, die Anhörung wird am 11.5. stattfinden.

Organspende mal wieder

16 Jan

Vorweg geschickt: Ich bin auch nach der neuen Unregelmäßigkeit bei der Dokumentation der Hirntodfeststellung in einem Fall weiterhin überzeugter Organspender, aber es wird einem manchmal schon schwer gemacht, bei der Stange zu bleiben. Wie ich zur Organspende stehe, auch im Zusammenhang mit dem letzten „Skandal“ bei der Vergabe, habe ich schon früher hier und hier dargelegt.

Es wurden diesmal Fehler gemacht bei der Dokumentation der Feststellung de Hirntods, und wie man im nachhinein feststellte ausdrücklich nicht bei der Feststellung selbst, die Patientin war eindeutig vor Beginn der abgebrochenen Entnahme hirntot. Fehler können passieren, obwohl sie es eigentlich nicht dürften, das ist nun mal menschlich, und Restrisiken bestehen, immer und überall. Man sollte jedoch immer die Wahrscheinlichkeiten im Auge behalten. Ich habe mich selbst mehrmals vollständig in die Hand anderer begeben müssen, nichts anderes ist es, wenn man in Vollnarkose operiert wird. Auch wenn das Risiko noch so gering ist, im Prinzip besteht dabei immer Lebensgefahr. Das ist auch so, wenn man ins Auto steigt, autofahren ist immer lebensgefährlich.

Bei einem so sensiblen Thema wie der Organentnahme erwartet man natürlich unbewusst, dass da niemals Fehler passieren dürfen, das trifft auch zu, aber eben nur fast, eine winzig Restwahrscheinlichkeit für Fehler bleibt bestehen. Viel höhere Restrisiken gehen wir täglich viele Male ein, ohne darüber nachzudenken. Ich habe persönlich weiterhin kein Problem mit meiner Entscheidung zur Organspende, ich fühle mich hinreichend sicher in den Händen ganz überwiegend verantwortungsvoller Mediziner.

Ich weiß, dass ich nicht völlig tot sein werde, wenn ich zur Organspende infrage kommen sollte, die benötigten Organe sind ja noch, hoffentlich, quicklebendig, aber ich werde hinreichend tot sein, dass ich mit denen nichts mehr anfangen kann, und das ist mein Kriterium. Jedes Kriterium anderer und jede andere Entscheidung respektiere ich ausdrücklich. Für mich geht es nicht um die Frage tot oder nicht tot, denn Totsein ist inzwischen eine relative Geschichte und endgültig tot ist man erst, wenn die letzte Körperzelle ihre Funktion unwiderruflich eingestellt hat, was aber erst dann der Fall ist, wenn andere Teile längst in Verwesung übergegangen sind. Das zumindest ist der Vorteil, den ich als gelernter Biologe habe: Es ist mir klar, wie tot ich zu einem bestimmten Zeitpunkt bin.

Soweit also nochmal zur Klärung meines Standpunkts zur Organspende an sich.

Zum neuerlichen „Skandal“: Zunächst wurde einfach, und in praktisch allen Medien berichtet, dass es schon wieder eine Unregelmäßigkeit bei einer Hirntodfeststellung gegeben habe und deshalb eine bereits begonnene Organentnahme abgebrochen worden sei. Das impliziert für viele Leser auf den ersten Blick, dass der betreffenden Patient nicht hirntot gewesen sei, warum sonst hätte man die Entnahme abbrechen sollen. Dass das nicht der Fall war, dass der Hirntod ordnungsgemäß festgestellt und dies nur nicht ausreichend dokumentiert wurde, erfährt man, wenn überhaupt, erst etliche Tage später, wenn sich kaum noch jemand dafür interessiert, in Meldungen, die weitestgehend unbeachtet bleiben. Dass außer der Tatsache, dass die dringend benötigten Organe nun nicht zur Verfügung standen, niemandem ein Schaden entstanden ist, wird nicht ausdrücklich erwähnt.

Solches ist inzwischen leider gängige Praxis bei den Journalisten, jeder will der schnellste sein, und so wird die Meldung eben raus gehauen. Abwarten und erstmal die Fachleute abklären lassen was denn nun genau passiert ist, was immer einige Zeit braucht, und dann ordentlich recherchieren kann sich im schnellebigen Medienbusiness offenbar niemand mehr leisten. Hätte man das getan, wäre der öffentliche Aufschrei, den es auch jetzt wieder gab, wohl kleiner ausgefallen und der Schaden, den ein solcher Vorgang immer auch für das ganze System der Organspende anrichtet, geringer ausgefallen.

Ich bin nicht gegen die Berichterstattung über solche Unregelmäßigkeiten an sich,die muss auf jeden Fall sein, aber ich zweifle inzwischen, ob eine möglichst frühe Information der Öffentlichkeit, jedenfalls, solange noch nicht alle Umstände völlig aufgeklärt sind, sinnvoll ist.

Und außerdem: Trotz allem, auch wenn Fehler menschlich sind, auch wenn diesmal kein Schaden entstanden ist, auch wenn solche Fehler gemessen an der Zahl der Organentnahmen sehr, sehr selten sind, auch wenn das Risiko für den einzelnen Organspender wirklich verschwindend klein ist: Das System muss noch sicherer gemacht werden, Fehlerquellen müssen ständig überprüft werden, und wo sie offenbar werden, müssen sie abgestellt werden. Wenn der Eindruck entsteht, dass dies nicht mit der nötigen Sorgfalt und Nachhaltigkeit geschieht, würde vielleicht auch ich eines Tages, aus Protest wohlgemerkt nicht aus Angst, meine Entscheidung Organspender sein zu wollen überdenken müssen.

Geschützt: Alternativlos

26 Jan

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Organspende mal wieder

16 Aug

Auf diesen, insbesondere in der gegenwärtigen Situation nach den Organverteilungs“Skandalen“, unsäglich dämlichen Kommentar muss ich einfach reagieren. Der Autor instrumentalisiert eben diese Skandale, die weiß Gott genug Schaden und Verunsicherung bei potentiell spendebereiten Menschen erzeugt haben, für seine Polemik gegen die Organspende als solche, die er offenbar benötigt, um vor sich selbst seine eigene Entscheidung gegen die Organspende, die ich ausdrücklich respektiere, zu rechtfertigen. Er ruft damit wieder all jene Halb- und Nichtwissenden auf den Plan, die „schon immer wussten“, dass man mit den Transplantationen nichts anderes im Sinn hat als lebende Menschen auszuschlachten und sich dumm und dämlich daran zu verdienen, obwohl seine durchsichtige Rhetorik damit überhaupt nichts zu tun hat.

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Tierisch gut leben …

20 Jul

… und sterben.

Ein interessanter Ansatz und ein Diskussionsbeitrag zum Thema Leben und Sterben von Nutztieren. Wenn wir Fleisch von Tieren essen wollen, müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie diese Tiere vorher leben sollen, und auch wie sie sterben sollen.

Wie weit dieser spezielle Ansatz tatsächlich allgemein realisierbar ist, sei zunächst mal dahingestellt. Vielleicht ist es aber möglich sich schon mal ein Stück weit auf den Weg zu machen.

Ich esse gerne Fleisch und Wurst, und dazu gehört, dass Tiere dafür sterben müssen. Als Kind habe ich etlichen Hausschlachtungen bei uns beigewohnt. Als Student habe ich das Sterben im Schlachthaus kennen gelernt. Vielleicht zu selten mache ich mir gelegentlich doch bewusst auf welche Art und Weise die Tiere, die ich esse, geschlachtet wurden. In meiner Kinderzeit war es so ähnlich wie im Trailer unten, und das war ganz anders und besser als im Schlachthaus. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, sich wieder ein wenig in diese Richtung zu bewegen.

Zwang zur Entscheidung…

13 Feb

… pro oder contra Organspende?

Das meiste der folgenden Dinge habe ich an anderen Stellen bereits in Form von Kommentaren gesagt. Ich will es aber gern hier nochmal zusammengefasst darstellen, auch im Hinblick auf meine persönlichen Entscheidungen zum Thema.

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Wenn es an’s Sterben geht …

21 Jan

hab ich den Titel genannt, um ein bisschen zu provozieren, und ich hab ein bisschen gezögert, den Beitrag zu veröffentlichen. Aber ich versuch’s einfach mal.

An verschiedenen Stellen meiner Blogosphäre sind in den letzten Tagen Diskussionen aufgekommen um das Thema letzte Stunden/Tage/Wochen, um Angehörige, hoch(über)dosierte Schmerzmittel, Abschieben, Entsorgen, gehen lassen und vieles andere. Ich habe zwar eine ziemlich gute Prognose, habe mir aber trotzdem hin und wieder über das Thema Gedanken gemacht, wie ich denn in einer Situation behandelt werden möchte, in der klar ist, dass ich in nicht allzu langer Zeit abtreten muss und ggf. auch Schmerzen oder andere unangenehme Begleitumstände zu ertragen hätte.

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