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„Na, plötzlich nicht binär?“

16 Feb

„Wohl auf den modischen queer-Zug aufgesprungen?“ Solche oder ähnliche Fragen hatte ich befürchtet von Menschen, denen gegenüber ich mich erklärt habe. Bisher habe ich solche Antworten nicht erhalten. Allerdings sind es auch noch nicht allzu viele Menschen, denen ich erklärt habe, dass ich kein Mann bin, genauer gesagt nicht nur ein Mann.

Ich selbst habe mir diese und ähnliche Fragen schon länger gestellt, so etwa seit eineinhalb bis zwei Jahren, seit ich mich näher mit dem Thema im Zusammenhang mit meiner Biografie befasst und vor allem Begrifflichkeiten kennengelernt und zunehmend verstanden habe. Letzteres ist wichtig, um zu verstehen, warum ich erst mit 66 soweit gekommen bin mich als non binary zu verstehen. Begriffe, an denen ich mich orientieren kann, mit denen ich mich einordnen kann, mich definieren kann, sind sehr wichtig für mich, vielleicht wichtiger als für andere. Andererseits, können, einmal hilfreich gewesen, Kategorieren auch wieder unwichtig werden, wenn ich einmal meinen Platz gefunden habe.

In den letzten, sagen wir vier bis fünf, Jahren habe ich mehr über Geschlechts-/Genderidentitäten, Beziehung, romantische und sexuelle Identität gelernt als in meinem ganzen Leben vorher.

Als Kind

ab Anfang der 60er, so ab 4, woran ich mich bewusst erinnere, gab es nur zwei Möglichkeiten. Mensch war Junge oder Mädchen, von Anfang an, und daran gab es nichts zu rütteln. Jungen hatten einen Penis, und Kinder, die keinen hatten, waren Mädchen. Trotzdem war irgendetwas anders. Andere Jungen hatten einen besten Freund, ich hatte eine beste Freundin. Später vielleicht ab 6 kam die Phase, wo Jungen Mädchen doof fanden, ich fand sie nett und, dass ich oft besser mit denen auskommen konnte als mit Jungen, die sich gelegentlich auch mal prügelten, was mir zutiefst zuwider war. Dass Mädchen nicht mitspielen durften, hab ich nie verstanden. Und ja, manchmal dachte ich daran, wie es wohl wäre ein Mädchen zu sein, und dass eventuell gar nicht so schlecht wäre. Aber an der Tatsache, ein Junge zu sein, schien ja nichts änderbar. Und so richtig Mädchen wollte ich auch irgendwie nicht sein, also meistens. Meiner damaligen besten Freundin ging es übrigens ähnlich, nur andersrum. Wir haben tatsächlich in dem Alter darüber gesprochen. Ab und zu verkleidetete ich mich auch mal weiblich. Trans, war damals, Anfang der 60er, vermutlich keiner Person, gleich welchen Alters in meiner Umgebung, ein Begriff. Irgendwann in sehr früher Jugend nahm ich Travestie, und dann auch „Transsexualität“ wahr, wobei das wohl für die meisten in meiner Umgebung, auch die gleichen Alters, eher das gleiche oder auch das selbe sein musste. Für mich nicht. „Transsexualität“ (die Anführungszeichen , weil ich, damals nicht, aber heute natürlich weiß, dass der Begriff falsch ist) war damals für mich immer mit Operation verbunden, Travestie waren für mich Männer. Dass es wohl auch damals Menschen gab, die nicht in dem Geschlecht lebten, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, aber keine geschlechtsangleichende Operation gehabt hatten, war mir nicht klar.

Als Jugendlicher und junger Erwachsener

hatte ich durchgehend eher einen androgynen Körper, bis ca. 40 deutlich untergewichtig und eher zartgliedrig, obwohl 1,84 groß. Damit unterschied ich mich deutlich von den meisten meiner männlichen Altergenossen. Auch als Jugendlicher gab es Phasen, in denen ich mir vorstellte, wie es wäre das andere binäre Geschlecht zu haben bzw. in ihm zu leben. Auch da war für mich rational nichts anderes fassbar als eben diese beiden Möglichkeiten, Mann oder Frau, ganz oder garnicht. Meine beste Freundin aus Kindertagen traf ich übrigens als junger Erwachsener wieder, auch sie damals eher androgyn. Wir waren uns immer noch symphatisch, mehr allerdings nicht. Der Versuch, als „normaler“ heterosexueller cis-Mann zu leben fand auch äußerlich statt. Ich wollte zumindest wie einer aussehen, während ich versuchte als einer zu leben und hatte doch immer wieder das Bedürfnis auch anders, eben nicht so männlich sein zu müssen, glaubte aber, dass es von mir erwartet wurde und erwartete es auch von mir selbst, denn Frau und trans – bzw. was ich damals darunter verstand – war ich ja auch offensichtlich auch nicht. Nun, trans* im Sinne von nicht binär und damit nicht das mir bei Geburt zugewiesene Geschlecht habend war ich schon, ich wusste nur nicht, dass es das gibt und konnte mir deshalb dessen auch nicht bewusst werden. Das ist der Grund, weshalb ich so auf die Begriffe abgehoben habe und weshalb ich sie zumindest für mich und die Bewusstwerdung meiner Identität für so wichtig halte, und weshalb ich es überhaupt für wichtig halte (auch Selbst-)Definitionen zu finden, auch wenn es das Thema durch ihre Vielfalt für manche vielleicht verkompliziert. Hätte ich die Begriffe (die für mich jetzt zutreffenden werde ich später noch anführen) früher zur Verfügung gehabt, wären mir viele Konflikte mit mir selbst erspart geblieben, ich hätte leben können, was ich bin und nicht, was ich glaubte sein zu müssen.

Überhaupt Beziehungen, Sexualität

Da offenbar keine Frau, versuchte ich (eigentlich weitgehend mein bisheriges Leben lang) mich in die heteronormative cis-Männlichkeit zu fügen und sie zu leben. Wirklich funktioniert hat das nie, weil ich offenbar kein „richtiger“ Mann war, jedenfalls nicht nur, was ich damals zwar vielleicht unterbewusst ahnte, aber mir nie bewusst wurde, es vielleicht auch nicht bewusst werden lassen wollte, weil das ja nicht in mein binäres Schema passte. Nach zweieinhalb mehr oder weniger frustranen und kurzen cis heterosexuellen Beziehungen lernte ich Mitte 20 meine Frau kennen, wir lebten zusammen, hatten ab und zu ein bisschen Sex, heirateten wurden Eltern einer Tochter, hatten weiterhin ab und zu Sex. Unspektakulär aber immer noch zusammen, seit 40 Jahren, 35 davon verheiratet. Und nein, das empfinde ich keinesfalls als schlimm oder, dass sich das unbedingt ändern müsste, sondern das bin ich auch.

Etwas, was sich für mich zeitweise merkwürdig anfühlte, ist, dass ich mich zu Männern hin und wieder (wie ich es heut benennen kann) romantisch, teilweise auch erotisch aber nie wirklich sexuell hingezogen fühlte. Eine längere romantische und schwierige Beziehung zu einem leider früh verstorbenen Mann hatte ich. Wenn er noch leben würde, könnten wir jetzt vermutlich einiges klären. Ich mag durchaus Bilder von attraktiven Männern auch in erotischen Posen, aber sie ziehen mich nicht sexuell an, noch erregen sie mich, was bei Frauen und Personen, die ich weiblich lese, anders ist. Allerdings spielt Sexualität als Geschehen zwischen zwei Personen oder mehreren Personen sowieso eher eine Nebenrolle für mich. Gibt es, findet gelegentlich statt, ist dann auch befriedigend, ist aber nichts, ohne dass ich nicht leben könnte.

Dysphorie

Nur kurz. Ja gab es, zeitweise heftig und dabei nicht wirklich wissend was und warum und gibt es teilweise noch. Körperliche und vor allem soziale. Und ich hoffe, dass das anders wird.

Was ist nun anders als vorher?

Ich weiß nun, dass es mehr als Mann oder Frau, ob cis oder trans, gibt. Und ich weiß nun, dass ich mehr als Mann sein kann und darf. Ich weiß nun, dass ich trans im Sinne von demi male (man) sein kann, darf und bin.

Ich weiß nun, dass ich nicht nur hetero-, homo- oder bisexuell sein muss sondern auch demisexuell und von als Frauen gelesenen Personen angezogen sein kann, und dass das vollkommen richtig ist.

Ich weiß nun, dass ich romantisch im Sinne einer engen liebevollen Beziehung auch von männlich gelesenen Personen und überhaupt von allen Geschlechtern/Gendern angezogen sein kann ohne gleichzeitig sexuelles Interesse an ihnen zu haben, das ist panromatisch sein zu können ohne das „merkwürdig“ zu finden, was mir früher so ging.

Ich weiß nun, dass ich als Elter zusammen mit einer cis Frau kein heterosexueller cis Mann sein muss.

Das ist schon anders und befreiend. Und inzwischen weiß ich auch, dass ich mir das nicht alles einbilde, und irgendeiner Mode folge, sondern dass ich so bin.

Wie ich das lebe, was ich nun mehr leben kann, probiere ich gerade Stück für Stück. Was daraus wird, werde ich sehen. Als seiender Mensch fühlt es sich schon mal ganz gut an, auch als als alter Mensch. letzteres hat den Vorteil, dass mir im Unterschied zu anderen nicht mehr allzu viel am Zeug geflickt werden kann wegen Andersseins.

Nehmt das als Outing, wenn Ihr wollt oder auch nicht. Der Begriff ist mir eher weniger wichtig. Nehmt Veränderungen bei mir meinetwegen als Transition oder nicht, auch der Begriff ist mir nicht so wichtig. Wichtig ist, was ich über mich gelernt habe und nun konfliktfrei mir mir selbst leben kann.

So, das ging jetzt doch besser, als ich dachte. Und beim nochmal lesen ist das auch alles so ungefähr ok. Ob und wass ich in der Beziehung noch weiter, auch über mich, lerne, wird sich zeigen.

So ist das und ganz anders

28 Jul

mit der Depression.

Jede Depression ist anders, aber alle sind auch wieder irgendwie gleich. Ich bin, wie meist, durch Zufall bzw. weil ich auf Facebook der ACHSE (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) folge und von dort über einen weiteren Umweg auf eine Podcastfolge gestoßen, die mich sehr berührt hat, ja in bestimmter Beziehung auch getriggert hat, aber das tut z.B. auch meine Therapie gelegentlich.

Wichtig an diesem Beitrag finde ich zum einen die Essenz, dass offensiver Umgang mit der Erkrankung Depression, wie auch mit anderen schweren Erkrankungen im Mittel vermutlich mehr Nutzen als Schaden hervorbringt, obwohl Schaden durchaus auch möglich ist, wie ich kürzlich am eigenen Leibe erfahren habe.

Wichtig ist auch, dass aufgezeigt wird, wie schwierig bis unmöglich es für Betroffene selbst ist zu verstehen, warum man sich gerade so (schelcht) fühlt, wie man sich fühlt, und dass es somit für die Umgebung noch schwieriger ist. Wie letztere damit umgehen kann oder auch nicht umgehen sollte, ist ebenfalls Thema.

 

„Eine Depression ist ’ne sehr, sehr einsame Kiste“

Schaut Euch den Beitrag an, wenn Ihr als Nichtbetroffene eine Ahnung erhaschen wollt, was da mit Menschen passiert, die betroffen sind, wenn Ihr Euch informieren wollt, was ihr tun könnt *** Spoiler: Ziemlich wenig, aber in der Nähe bleiben ***, wenn ihr als Betroffene eine weitere Perspektive erfahren wollt („kenne ich“ oder auch „ach so kann das auch sein“). Oder am besten hört auch den Podcast, der eindrucksvoller ist, auch wenn es bisweilen anstrengend und er fast genau 2 Stunden lang ist. Gelangweilt habe ich mich zumindest nicht.

Über den Tod sprechen

10 Feb

kann und sollte man gelegentlich. Relativ häufig geschieht dies auf den Blog Sterben Üben. Dort gibt es auch eine Fragensammlung, die ich ganz interessant finde, und die anregt sich den ein oder anderen Gedanken zum Thema Tod und Sterben zu machen. Manche Fragen hab ich mir längst schon selbst gestellt einige regen mich an neu nachzudenken. Ich will sie hier für mich selbst beantworten.

  1. Hast du Angst vorm Tod?
    Jein. Vor dem Tod eigentlich weniger, obwohl ich gern noch einige Zeit hier hätte.
    Ich hatte vor einiger Zeit einen Traum, in dem ich mir sehr klar darüber war, dass ich am Lebensende angekommen war und sterben müsste, krankheitsbedingt. Ich verabschiedete mich von den Menschen, die mir zu diesem Zeitpunkt viel bedeuteten und war bereit zu gehen. Alles war friedlich und eher heiter.
    Insofern also eher doch keine Angst.
  2. Hattest du Todesfälle in deinem Umfeld und wenn ja, welche haben dich besonders betroffen?
    Reichlich, und fast alle haben mich auf ihre Weise besonders betroffen. Ich mag a kein Ranking aufstellen.
  3. Haben deine Eltern mit dir als Kind über den Tod gesprochen?
    Ja, ein wenig. Aber wie alle Eltern – auch ich – wohl nicht ausreichend.
  4. Hattest du als Kind Haustiere, die du beerdigt hast? Wenn ja, wie?
    Ja, meinen Wellensittich, den ich tragischerweise unbeabsichtigt selbst umgebracht hatte. Er wurde in eine Serviette gewickelt im Garten begraben. Ein kleines Kreuz bekam er auch.
  5. Haben deine Eltern Angst vorm Tod?
    Das weiß ich nicht, sie sind beide schon tot. Ich nehme an, sie hatten keine.
  6. Was macht die Antwort aus Frage 5 mit dir? Ehrlich gesagt nicht viel. Sie ist eigentlich nicht relevant für mich.
  7. Hast du Kinder? Wenn ja, hast du mit ihnen über den Tod gesprochen?
    Ja und ja. Und wie oben erwähnt, vermutlich nicht ausreichend. Jetzt da erwachsen ist es gelegentlich ein Thema, aber eher zufällig.
  8. Wenn du mit deinen Kindern noch nicht über den Tod gesprochen hast: Was hält dich davon ab? Mich nichts.
  9. Wovor fürchtest du dich mehr: Dem Sterben oder dem Tod selbst?
    Vor dem Sterben, falls es gewaltsam, angstvoll oder schmerzhaft geschehen sollte.
  10. Was gehört für dich zu einem guten Leben?
    Gleichzeitig so vieles und auch so wenig. Und was ist ein gutes Leben?
    Sinn hab ich inzwischen den einen oder anderen gefunden, vermutlich reicht das bereits.
  11. Welche drei Dinge möchtest du erreicht oder erlebt haben, bevor du stirbst?
    Da ich mir den Zeitpunkt nicht aussuchen kann, mache ich diesbezüglich keine Pläne. Ich habe immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt eine „bucket list“ aufzustellen und wieder Abstand davon genommen. Sollte ich unheilbar krank werden, könnte es wieder dazu kommen. Was dann allerdings da drauf käme, hinge davon ab, was einigermaßen realistisch machbar wäre. Das dürfte aus rein wirtschaftlichen Gründen einige Einschränkungen haben.
  12. Wen wünschst du dir in den letzten Minuten deines Lebens bei dir?
    Mein nahen Angehörigen.
  13. Stellst du dir den Tod eher männlich oder eher weiblich vor?
    Geschlechts- und genderlos.
  14. Glaubst du an eine Art Leben nach dem Sterben?
    Jein. Nicht im naiv christlichen oder naiv östlichen Sinne.
  15. Findest du Friedhöfe gruselig?
    Nein.
  16. Wie möchtest du mal bestattet werden?
    Das überlasse ich anderen. Im eigenen Garten verstreut werden, wäre eine angenehme Vorstellung. Das könnte irgenwann möglich sein, wenn mir noch einige Zeit bleibt. Die Art der Bestattung ist vermutlich wichtiger für für die, denen ich etwas bedeute als sie es für mich selbst sein kann. Ich gehe davon aus, dass ich es nicht bewusst miterleben werde.
  17. Welche Musik möchtest du auf deiner Beerdigung gespielt haben? Auch das ist mir im Grunde gleich gültig (im Eckhartschen Sinne). Was Rockiges wäre eine nette Vorstellung, Jazz ebenfalls.
  18. Auf wie vielen Beerdigungen warst du schon? Ich habe sie nicht gezählt, aber eine Hand dürfte nicht ausreichen.
  19. Machen dir Beerdigungen Angst oder ein seltsames Gefühl, und wenn ja, wieso? Nein. Trauer ist nicht seltsam.
  20. Hast du schon Vorkehrungen getroffen für den “Fall der Fälle”? Also eine Vorsorgevollmacht abgeschlossen, eine Patientenverfügung vorbereitet, Bestattungsanweisungen festgehalten? Ja, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Bestattungsanweisungen finde ich aus den oben genannten Gründen überflüssig.
  21. Wie fühlst du dich, wenn in Büchern oder Filmen jemand stirbt? Bisweilen traurig, eigentlich meistens.
  22. Hast du das Gefühl, noch viel Zeit vor dir zu haben, um dein Leben zu gestalten? Was ist „viel“? Es ist gleichzeitig nie genug und überreichlich.
  23. Gibt es Dinge, die du rückblickend in deinem Leben anders machen würdest?
    Ich habe aufgehört, darüber nachzudenken, da ich es nicht kann. Das ist im übrigen sehr empfehlenswert.
    Nachzudenken, wie und warum bestimmte Dinge so gekommen sind, wie sie es sind, kann hingegen sinnvoll sein.
  24. Wie oft sagst du den wichtigen Menschen in deinem Leben (Partnerschaft, Familie, Freunde) anlasslos, was sie dir bedeuten?
    Zu wenig. Vielleicht zeige ich es mehr als es zu sagen, aber auch das wohl zu selten.
  25. Findest du, du könntest das öfter machen? Wenn ja, was hat dich bisher davon abgehalten?
    Ja, könnte ich. Wohl eine gewisse Introvertiertheit.
  26. Was denkst du über Sterbehilfe?
    Passiv auf jeden Fall, dafür sorgt eine vernünftig abgefasste Patientenverfügung. Aktiv prinzipiell auch, aber ausgesprochen beschränkt und nicht nach einem belgischen oder niederländischen Modell.
  27. Gäbe es Szenarien, bei denen du dir so etwas für dich vorstellen könntest?
    Ja, aber sehr unwahrscheinlich.
  28. Wenn sich ein dir nahestehender Mensch für Sterbehilfe entscheiden würde, könntest du das verstehen? Und verzeihen?
    Ja.
  29. Gab es schon einmal eine Situation in deinem Leben, in der du dachtest “jetzt sterbe ich”? Hat dich das verändert?
    Ja und ja.
  30. Was für eine Art Sterben wünschst du dir?
    Gewaltfrei, ohne Atemnot, die ich aus eigener Erfahrung für schlimmer zu ertragen finde als Schmerzen, möglichst schmerzfrei, angstfrei.
  31. Was denkst du über Hospize?
    Sehr sinnvolle Einrichtungen. Falls ich absehbar nicht mehr lange zu leben habe, würde ich für die letzte Zeit ein Hospiz für mich als bevorzugte Option sehen.
  32. Könntest du dir vorstellen, Menschen in einem Hospiz ehrenamtlich zu begleiten? Wenn ja: Was interessiert dich hier besonders? Wenn nein: Was schreckt dich ab?
    Vorstellen könnte ich es mir und würde es gerne tun. Ein anderes Ehrenamt, das damit entfernt verwandt ist, übe ich ja aus.
  33. Welcher Promi-Todesfall hat dich besonders betroffen?
    Auch da möchte ich kein Ranking aufstellen. Da ich selbst die 60 überschritten habe, kommen „die Einschläge immer näher“, und es sterben logischerweise immer mehr mehr oder weniger prominente Personen, die mich in meiner Jugend und frühen Erwachsenenzeit begleitet haben und mir etwas bedeuten oder bedeutet haben. Von denen macht mich jeder einzelne betroffen.
  34. Gab es in Filmen mal Szenen, wo du dachtest: Das ist ein schöner Tod?
    Kann sein, im Moment ist mir keine direkt erinnerlich.
  35. Wenn du nach dem Tod ein Geist wärst: Wen würdest du heimsuchen? Jemanden den du magst, um ihm noch einmal nahe zu sein oder eher jemandem, an dem du dich rächen möchtest?
    Eher als eine Art Engel, Schutzengel.
  36. Was soll auf deinem Grabstein stehen?
    Das ist mir genauso wie die Art und Weise meines Begräbnisses ziemlich egal.
  37. Wärst du gerne unsterblich?
    Die Vorstellung hat einen Reiz. Es wäre aber vermutlich schon bald eine ziemliche Last.
  38. Welche drei Gegenstände würdest du gerne mit ins Grab nehmen wollen?
    Ich möchte nichts mit ins Grab nehmen.
  39. Wobei fühlst du dich besonders lebendig?
    Wenn ich merke, dass das was ich an anderen und für andere tue und sage, wirksam und hilfreich ist.
  40. Und was macht dich glücklich?
    Das wechselt. Aus jeden Fall das, was als Antwort auf die vorhergehende Frage steht.
    Manchmal auch durchaus Materielles, zum Beispiel, wenn ich mir für eine Weile keine existenziellen Sorgen machen muss, was nicht oft vorkommt. Ob ich mit sehr viel Geld glücklicher wäre, weiß ich nicht. Könnte auch sein, dass nicht.
    Katzen machen mich auch glücklich, zum Beispiel der Kater, der gerade auf meinem Schoß Platz genommen hat.

 

 

Depression ist

14 Jan

wenn Gefühle verloren gehen, positive wie negative. Die positiven meist eher als die negativen.

Genauer geht eigentlich die Fähigkeit verloren zu fühlen, wirklich und echt zu fühlen. Sich wirklich zu freuen, aber auch vielleicht zu trauern, also zum Beispiel auch weinen zu können.

Die Fähigkeit zur Freude an Dingen, Tätigkeiten oder Ereignissen, zum Genuss verschwand als erstes. Nicht völlig vielleicht, aber weitgehend und in wirklich schlimmen Phasen ganz. Dabei ist zumindest mir dabei rational völlig klar, dass dies Gelegenheiten sind, bei denen ich früher große Freude und Genuss empfunden hätte und ich mich frage, warum das gerade jetzt nicht so sein kann. dabei kann es sich um alltägliche oder auch sehr außergewöhnliche Anlässe handeln.

Wie das ist, wenn die Freude auch bei einem an sich unglaublich positiven Geschehen ausbleibt und wie schön, wenn sie dann doch mal wirklich spürbar wird, hatte ich schon mal beschrieben.Der Verlust beschränkt sich aber eben nicht nur auf Freude, es ist ein genereller Verlust an der Fähigkeit – intensiv und selbst – zu fühlen. Nicht unbedingt ein Verlust von Empathie, die hat aber nicht nur mit dem eigentlichen Fühlen zu tun sondern auch mit rationalem nachvollziehen des Erlebens anderer, hat ein wenig mehr Abstand zu mir.

Gestern nun durfte ich ein anderes Gefühl wieder erleben. Tiefe Trauer und (Mit)Betroffenheit. In den letzten Jahren fiel es mir zunehmend schwerer wirkliche Trauer zu empfinden, am ehesten noch über den Verlust der Fähigkeit intensiv zu fühlen. Verluste waren bedauerlich, klar. Aber es war ebenfalls eher eine rationale Angelegenheit. Das begann im Rückblick mit dem Tod meiner Mutter vor mittlerweile über drei Jahren. Wirklich bewegt war ich nur kurze Momente.

Gestern war das anders. Vielleicht war es die Wahrnehmung Teil einer wirklich großen Gemeinschaft rund um die Welt zu sein. Es war eine memorial/tribute Veranstaltung für Mike Taylor, die live gestreamt wurde. Vielleicht war es, weil ich mich persönlich dem Verstorbenen so nahe gefühlt hatte. Ich weiß es nicht. Ich wurde selten, auch in meinem „alten Leben“ so bewegt wie von dieser Veranstaltung. Ich konnte weinen, nach ziemlich langer Zeit einmal wieder. Ich habe nicht oft in meinem Leben geweint. So traurig der Anlass war, es fühlte sich heilsam an und als ein gutes Gefühl intensiv zu fühlen, was ich lange nicht mehr hatte. Und noch hält es an, und immer noch fühlt es sich gut an.

Depression ist

4 Jan

ein Arschloch, das vor keinem halt macht.

Sie kann jeden treffen, auch Menschen, die „sowas“ studiert haben, die sich mit Trauer auskennen, von denen man dachte: Wenn jemand in sich ruht, dann der.

Menschen die – ebenso wie ich – rational völlig klar begriffen haben, dass das, was sie da tun, und was mit ihnen geschieht nicht vernünftig ist. Und es passiert ihnen doch.

Und sie funktionieren in bestimmten Bereichen ganz gut – genau wie ich – und in anderen manchmal überhaupt nicht – genau wie ich, was es für andere noch schwerer macht es zu begreifen.

„Aber du kannst doch …“ „Da geht es doch auch …“

Depressive sind sich so ähnlich und so verschieden.

https://bestatterweblog.de/die-stell-dich-nicht-so-an-krankheit/

Depression ist

3 Okt

sich am Feiertag nicht einfach nur mal so auf die Couch hauen zu können, weil man ja sonst schon nichts von den dringenden Sachen geschafft bekommt.

Und wenn man es doch tut oder sonst was macht, von dem man weiß, dass es einem eigentlich gut tut, es nicht genießen kann, weil man sich mit dem schlechten Gewissen selbst im Weg steht.

Und leider nützt es dann in solcher Situation nichts, wenn man das rational begriffen hat.

Was Depression sonst noch ist, erzähle ich dann gelegentlich noch.

Viermal gesessen

28 Aug

nicht jeden Tag aber immerhin. Das lässt hoffen.
Struktur in die Tage und Wochen zu bekommen, oder wenigstens eine annähernde Regelmäßigkeit fällt mir seit zwei bis drei Jahren noch so sehr viel schwerer als sowieso schon immer.
Aber keine langfristigen Pläne machen, sondern von Mal zu Mal denken. Vielleicht ist das die Lösung.

Wasserstandsmeldung

28 Jul

Ich habe seit langem mal wieder 2,5 Stunden einigermaßen kontinuierlich und effektiv hintereinander sinnvolle Dinge getan, die ich mir ziemlich genau so vorgenommen hatte.

Das ist in letzer Zeit, außer auf auswärtigen ehrenamtlichen „Dienstreisen“ schon länger nur höchst selten vorgekommen.

Sie war wieder da

5 Jan

und ist es noch.

diese schwarze Dame. Sie war nie wirklich weg, nur sprang sie mich zeitweise nicht so penetrant an wie in den letzten Wochen.

Weihnachten, die schwierige existenzielle Lage, jetzt gerade und vor einer Woche zwei sehr nachdenklich machende Todesfälle, sich ewig hinziehende und zwischendurch sich deutlich verschlechternde gesundheitliche Probleme und anderes mögen eine Rolle gespielt haben, dass ich wieder empfänglicher wurde für ihre Einflüsterungen. Sie will mir immer wieder weismachen, dass ich mich gar nicht erst bemühen sollte, weil ja sowieso alle Anstrengung sinnlos ist. Und ja, sie schafft es mich gehörig auszubremsen. Vielleicht auch haben Bewusstwerdungsprozesse infolge der vor einiger Zeit begonnen Therapie einen Anteil, die Fragen aufwerfen und Zweifel und Unsicherheiten aufkommen lassen. Die längere Pause zwischen den Sitzungen über den Jahreswechsel, in der es sich keine Gelegenheit gab, in diesen Zweifeln wieder aufgefangen zu werden. Nächste Woche geht es weiter, Gottseidank. Über die Medikation sollte vielleicht auch nochmal nachgedacht werden.

Es gibt so viel zu tun, so viele Baustellen, und es ist so unglaublich mühsam.

Es ist stille geworden

10 Feb

auf diesem Blog.

Das liegt an verschiedenen Dingen, positiven wie negativen.

Einmal hatte ich, endlich, in den letzten paar Wochen wieder ein paar mehr Aufträge, nachdem es Ende Dezember und Anfang Januar traditionell ruhig war, was prinzipiell gut ist, aber nicht immer vollständig zu bewältigen war, obwohl ich das noch vor vielleicht 4 Jahren „mit links“ geschafft hätte. Dann war ich ehrenamtlich verstärkt für meinen Verband unterwegs, was auch in Zukunft so sein wird. Auch wenn das paradox scheinen mag, wo ich doch durch die Depression immer wieder sehr eingeschränkt in meiner Leistungsfähigkeit und -kraft bin, werde ich mein diesbezügliches Engagement verstärken, weil ich zum einen die Notwendigkeit sehe und zum anderen daraus auch erheblich Kraft und Sinn für mein übriges Leben ziehe. Ich werde mich für ein führendes Amt zur Wahl stellen und meine Aktivitäten gleichzeitig in einem bestimmten Bereich ausbauen aber auch auf diesen fokussieren.

Dann hatte ich vor zwei, drei Wochen wieder intensiveren Besuch der alten schwarzen Dame, was immer sehr lähmend wirkt. Obwohl es mir im Durchschnitt eher besser geht, kommen diese verstärkt depressiven Phasen immer wieder vor, die bei mir typischerweise eher kurz im Sinne von einer oder vielleicht zwei Wochen sind, in denen meine eingeschränkte Leistungsfähigkeit nochmal geringer wird und das Gefühl der weitgehenden Lähmung sehr stark wird.

Unter Moclobemid ist der Antrieb subjektiv insgesamt eher besser geworden, die Fähigkeit, die eigene Stimmung und die Gedankenkarussels bewusst zu machen auch. Die Fähigkeit diese positiv zu beeinflussen, hinkt noch, auch nach Abschluss des online-Depressionscoachings, das von meiner Krankenkasse angeboten wurde. Immerhin gelingt es mir immer mal wieder eines der dort kennen gelernten Werkzeuge, die bewusste Neu-/Mehrfachinterpretation von Gedanken und Situationen anzuwenden und im Kopf verschieden negative, neutrale und positive Varianten zu erzeugen und durchzuspielen. Keine dieser Varianten ist jeweils eine objektiv und allein wahre, doch bringt allein dieses Durchspielen manchmal den Absprung von dem Karussell, das die schwarze Dame im Kopf ans Rotieren gebracht hat. Noch gelingt das eher selten.

Ein ambulanter Therapieplatz hat sich noch nicht ergeben, wurde allerdings noch nicht allzu intensiv gesucht, ich hatte gehofft und hoffe immer noch in einer therapeutisch geführten Bewältigungsgruppe an der PIA unter zu kommen, wo mein Arzt tätig ist. Leider hab ich da noch keine Nachricht aber nochmal angefragt. Ich finde die Versorgungssituation für Betroffene, die nicht stationär behandelt werden müssen, können oder wollen, ziemlich katastrophal. Die Tatsache, dass ich in meiner näheren persönlichen Umgebung nicht der einzige Betroffene bin, macht es nicht einfacher.

Gleichzeitig wird mir aber unter Moclobemind, wie schon mal erwähnt, auch – endlich – bewusst, wieviel ich in den letzten Jahren an Kraft verloren habe. Das ist nützlich, z.B. um die eigenen Ressourcen einzuschätzen aber eben auch schmerzhaft und muss erstmal durchlebt werden. Bewusst wird mir auch, wie wenig resilient ich in bestimmten Bereichen geworden bin – ich war da schon immer gefühlt leichter zu beeinträchtigen als der Rest der Welt, aber es ist im Rückblick doch in den letzten zwei Jahren deutlich leichter geworden, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen und schwieriger es wieder zu erlangen, soweit überhaupt möglich. Das möchte ich auf Dauer doch wieder ändern, und das ist für mich ein wesentliches Therapieziel. Ich werde wohl in dieser Hinsicht immer hinter der „Normalität“ zurück bleiben, aber ich möchte wenigstens ein Stück weit in diese Richtung kommen und mit dem Rest einigermaßen in Frieden leben.

Für mich interessant ist, wie selektiv sich die depressiven Phasen auswirken, etwas was mit erst in letzter Zeit richtig bewusst geworden ist und ggf. auch therapeutisch relevant ist. Bestimmte Bereiches meines Lebens sind kaum oder doch erheblich weniger als andere betroffen, das ist zum Beispiel mein Engagement in der Selbsthilfe, die mir allerdings auch überwiegend positive Verstärkung bringt. In anderen Bereichen, die teilweise existenzielle Bedeutung haben, bin ich durch depressive Phasen sehr stark beeinträchtigt und gegenüber auch kleineren Rückschlägen sehr empfindlich in dem Sinne, dass diese oft zu zeitweisen Lähmungen jeglicher problemlösenden Aktivität führen und Gedankenkarusselle auslösen, die diese Lähmungen wiederum verstärken. Die Medikation hat mir allerdings unter anderem die Erkenntnis vermittelt, dass es möglich ist von solchen Karussellen früher oder später abzuspringen, immerhin das. Ich würde aber gern noch schneller abspringen  und die schwarze Dame zum Abschluss des jeweiligen Besuches zur Tür hinaus komplimentieren können. Es ist für mich eine der Auswirkungen der Medikation, dass mir viele Dinge im Zusammenhang mit der Depression bewusster und rational zugänglicher geworden sind als vorher, da ich noch glaubte die Mechanismen doch bereits weitestgehend verstanden zu haben. Es ist aber noch ein ständiger Lernprozess mit der Hoffnung, dass besseres Verständnis auch die Bewältigung erleichtert.