Archiv | November, 2016

Was war es?

17 Nov

Beziehungsweise, was ist es denn nun? Die Frage im letzten Post war eher rhetorisch, denn eigentlich dürfte es einigermaßen klar sein. Ich hab das Thema trotzdem auf zwei Beiträge aufgeteilt, weil der Tenor des zweiten etwas anders ist, weniger eine Zustandsbeschreibung als Ursachen und Lösungansätze zum Inhalt hat. Vielleicht war es auch eine merkwürdige Idee, den ersten Beitrag so offen zu lassen.

Es handelt sich um eine Depression. Nicht mehr „nur“ um eine depressive Verstimmung. Dafür hält es zu lange an und beeinträchtigt praktisch meinen gesamten Alltag zu sehr, sofern man da noch von geregeltem Alltag reden kann. Und es gibt Kriterien dafür, von denen genügend zutreffen, wiewohl das Erscheinungsbild idividuell sehr unterschiedlich sein kann. Das ist auch inzwischen psychiatrisch abgeklärt, und ich bin in ambulanter Behandlung. Der Gang zum Psychiater war dann letztlich logisch, man geht mit anderen medizinischen Problemen ja auch zu einem entsprechenden Facharzt. Bei der Entscheidung für die Psychiatrie ist es vielleicht nicht ganz so selbstverständlich, weil immer noch mit vielen gesellschaftlichen Tabus behaftet. An sich hab ich da wenig Berührungsängste, zumal ich den ein oder anderen Betroffenen zumindest virtuell aber auch im real life kenne. Nur muss man erstmal drauf kommen, dass man wirklich betroffen sein könnte und für sich selbst erkennen, dass es dafür ja einen Facharzt gibt.

Da ich nicht suizidal bin, ist eine stationäre Behandlung nicht unbedingt indiziert, obwohl ich prinzipiell auch damit kein Problem insofern hätte, als ich da keine der üblichen verbreiteten Vorbehalte oder Befürchtungen habe. Allerdings wäre das in meiner derzeitigen Situation ziemlich sicher mit dem Ende meiner wirtschaftlichen Existenz verbunden, da es keine realistische Chance gäbe, mein Geschäft aufrecht zu erhalten. Kundschaft wäre zumindest teilweise verloren, eine Vertretung während einer stationären Behandlung wäre nicht finanzierbar, und das würde einen ganzen Rattenschwanz von Weiterungen nach sich ziehen, die allesamt mehr als belastend wären. Das sieht auch mein Behandler so, aber es gibt ja andere Möglichkeiten.

Ich bin inzwischen nach einem mehrwöchigen Fehlversuch mit einem SSRI, der mehr Nebenwirkung als spürbare erwünschte Wirkung erbrachte, mit einem noch relativ niedrig dosierten modernen resversiblen selektiven MAO-Hemmer versorgt, der außer auf Serotonin und Noradrenalin zusätzlich auch die Dopaminverfügbarkeit erhöht. Letzteres scheint für mich der Hauptgrund dafür zu sein, dass mir das Medikament eine Besserung bringt, sowohl der Stimmung als auch des Antriebs, auch wenn da sicher noch einige Luft nach oben ist. Man wird sehen, ob demnächst evtl. mit einer etwas höheren Dosierung noch mehr erreicht werden kann. Das kurz wirkende Schlafmittel zur Behebung der als anfängliche Nebenwirkung auftretenden Einschlafstörungen wird langsam ausgeschlichen, so wie es komfortabel möglich ist.

Natürlich wird auch anderweitig zusätzliche Arbeit notwendig sein. Ich werde versuchen eine kognitive Verhaltenstherapie zu bekommen, was bei der hiesigen Therapeuten“dichte“ und den üblichen Wartezeiten nicht ganz einfach sein wird. Aber ich möchte jetzt einen eher praxisorientierten Ansatz versuchen. Die vor längerem schon beendete tiefenpsychologisch fundierte Therapie hat mir einige Erkenntnis über mich selbst erbracht aber mich in der Übertragung von Erkenntnissen in den Alltag nicht wirklich viel weiter gebracht. Für die Zwischenzeit werde ich mich um ein online-Betreuungsprogramm meiner Krankenkasse bemühen, das diese offenbar nach einer Studienphase in 2014 und 2015 seit Oktober wieder aufgelegt hat, und von dem ich bis heute nichts wusste. Das ist auch prinzipiell verhaltenstherapeutisch angelegt und wird von ausgebildeten Therapeuten betreut. Solange noch keine andere Therapie begonnen oder fest geplant wurde, kann man das Angebot wahrnehmen.

Ursachen? Früher hat man ja nach endogener und reaktiver Depression unterschieden. Soweit mir bekannt ist, macht man das heute nicht mehr. Endogen ist ja eigentlich auch nur das Synonym für nix genaues weiß man nicht. Letztlich hat es immer irgendwie mit dem Hirnstoffwechsel bzw. den Neurotransmittern und ihrem Verhältnis zueinander zu tun, der aus welchem Grund auch immer irgendwie gestört oder verändert ist. Wie die Missverhältnisse dort letztlich zustande kommen, könnte einem zunächst mal egal sein, sie sind ja schon da, und man sollte etwas tun, um das positiv im Sinne einer Besserung der Symptome zu beeinflussen. Etwas darüber nachzudenken, was mögliche Grundlagen dieser gestörten Gleichgewichte sein könnten, ist aber natürlich auch sinnvoll.

Für mich steht im Vordergrund zunächst die Aufsummierung der Belastungen der letzten, sagen wir 8-10 Jahre, die alle geprägt waren von mindestens jeweils zwei schwerwiegenden teilweise existenzbedrohenden Ereignissen.

Daneben wurde ich auch darauf hingewiesen, dass individuell verschieden auch das Altern selbst diese Gleichgewichte verschieben kann. Da der MAO-Hemmer deutlich besser wirkt als der SSRI, kam für mich auch das Thema Dopamin aufgrund meiner Familienanamnese in den Sinn. Beide meine inzwischen verstorbenen Eltern litten im Alter an Erkrankungen, die durch einen Mangel an Dopamin gekennzeichnet sind und durch Dopamin bzw. L-Dopa günstig beeinflussbar waren (Parkinson, restless legs). Eine genetische Disposition für Störungen diesbezüglich wäre also auch denkbar und wurde vom Arzt nicht ausgeschlossen, da es für beide Syndrome genetische Prädispositionen mit familiär erhöhtem Erkrankungsrisiko gibt. Obwohl mein letzter Besuch beim Neurologen wegen der auch bestehenden Polyneuropathie schon eine Weile her ist, denke ich, dass zur Zeit eine aktuelle Erkrankung an einem der beiden Syndrome noch ausgeschlossen werden kann. Vielleicht ist aber eben das Verhältnis von Dopamin zu anderen Neurotransmittern bereits gestört. In jedem Fall ist der MAO-Hemmer für mich bisher eine Hilfe, und ich hoffe, da lässt sich noch mehr machen.

Es geht mir noch nicht gut aber besser. Immerhin denke ich, die medikamentöse Unterstützung wird es mir leichter machen, weitere Hilfen und vielleicht Lösungen zu suchen und zu finden.

Was ist das wohl?

16 Nov

Ich stehe neben mir beobachte mich und weiß, dass da etwas falsch läuft, ganz falsch. Selbstreflektiv bin ich ja, ziemlich gut sogar, wie mir von kompetenter Seite bestätigt wurde.

Ich weiß, was ich tun müsste, was mir gut tun könnte, was mir gut getan hat. Und ich kriege es nicht hin. Ich kann Dinge, die ich gern getan habe, die mich entspannt haben, die mir Kraft gegeben haben nicht mehr tun, mich nicht mehr aufraffen, die meisten jedenfalls.

Ich war früher mal fast wöchentlich im Kino, was ich mir nicht mehr leisten könnte, aber ich habe einen seit langem unbenutzten Kinogutschein.

Ich war früher mindestens zweimal wöchentlich im Wasser, schwimmenderweise, und ich habe eine Wertkarte für ein sehr schönes Wellnessbad, die mir etliche Eintritte ermöglichen würde, ich war ein einziges mal vor fast einem Jahr dort, was mir damals gut getan hat.

Wenn ich dann wirklich einmal etwas tue, was ich eigentlich gern täte, worauf ich mich gefreut habe, schaffe ich es nicht, das uneingeschränkt zu genießen. Zuletzt habe ich ein wirklich großartiges Konzert von Jean Michel Jarre besucht (worüber ich auch mal was schreiben sollte), das mir als außerordentlich großzügiges Geschenk einiger Bekannten und Freunde ermöglich wurde, und das ich mir selbst nicht hätte leisten können.

Immer wieder ist aber dann da das schlechte Gewissen: Es ist schon soviel Arbeit liegen geblieben, die längst getan sein sollte, der Schreibtisch sieht aus wie ein Schlachtfeld. Und doch schaffe ich es nicht mich effektiv und konzentriert länger damit auseinanderzusetzen, ohne das mich Grübeleien, Zweifel, schlechtes Gewissen, das Gefühl von Sinnlosigkeit wieder ablenken. Und ich lenke mich selbst ab mit allem möglichen.

Ich weiß selbst wie paradox das ist. Ich kenne sie ja alle, die guten Ratschläge: Entspann Dich mal. Du musst auch mal was für Dich tun. Grübel nicht so viel.
Ich kenne inzwischen durchaus auch ein paar potentiell wirksame Werkzeuge, Tagespläne, Mittel zur Strukturierung, wo mir doch die Struktur so sehr abhanden gekommen ist, habe einen MOOC zur Prokrastination mitgemacht. Ich weiß das doch alles!

Aber ich stehe neben mir und schaue mir zu, wie ich es einfach nicht gebacken kriege. Der Antrieb ist weg, oft vollständig, manchmal auf Bereiche beschränkt. Ich funktioniere gerade noch so, dass ich, meist unmotiviert, die allerwichtigsten Dinge, dringende Aufträge noch eben erledigt kriege. Ich quäle mich buchstäblich jeden Morgen meist später, als ich es vorhatte und sinnvoll gewesen wäre, aus dem Bett, in dem ich am liebsten liegen bleiben würde. Aber ich weiß ja, dass das die ohnehin mehr als angespannte Lage noch schwieriger mache würde.

Es gibt noch einen Bereich, der mir immer mal wieder Bestätigung und das Gefühl von Selbstwirksamkeit gibt, das mit in fast jedem anderen Bereich so fehlt. Das ist mein Ehrenamt. Aber auch da herrscht schlechtes Gewissen: Kann ich es mir eigentlich leisten, dafür soviel Zeit „zu verschwenden“, wo ich doch soviel „wichtigere“ Dinge erledigen müsste, die ich nicht geschafft kriege? Natürlich ist mir rational klar, dass ich nicht darauf verzichten sollte, mir wenigstens da Bestätigung zu holen, wo es noch funktioniert. Aber immer wieder sind da die Zweifel. Paradox ist auch, das ich offensichtlich anderen helfen konnte, teilweise mit Ratschlägen, die ich mir selsbt auch geben könnte. Sie greifen aber nicht, bzw. ich schaffe es nicht sie umzusetzen, ich schaffe es einfach nicht.

Dieses Gefühl der Ohnmacht, der Sinnlosigkeit der allermeisten Anstrengungen, die dann am Ende doch nicht ausreichen, macht auch teilweise wütend oder zumindest ungehalten auf mich  selbst. Ich merke ja, was aus dem Ruder läuft.

Die Ursachen sind vermutlich kaum eindeutig festzumachen. Es gab in den letzten Jahren überreichlich persönliche Belastungen. Todesfälle, etliche gesundheitliche Baustellen inklusive einer – wohl überstandenen – Krebserkrankung, vor allem wirtschaftliche Schwierigkeiten und geschäftliche Rückschläge zuhauf, familiäre Belastungen, mit pflegebedürftigen  und zum Teil schwer psychsich kranken Angehörigen bzw. Angehörigen von Angehörigen. Alles Dinge, die andere schon heil überstanden und sich wieder aufgerappelt haben. Mir haben sie offensichtlich  mehr zu schaffen gemacht als anderen. Selbstbewusstsein war noch nie meine wirkliche Stärke, auch als Kind und Jugendlicher schon nicht, obwohl ich im Grunde zumindest zeitweise nicht unerfolgreich war. Ich habe in einer längeren und schon vor längerem beendeten tiefenpsychologisch fundierten Therapie das ein oder andere über mich selbst erfahren. Diese Einheiten haben mich auch immer mal wieder aufgebaut, letztlich wirklich erfolgreich waren sie am Ende wohl rückwirkend betrachtet doch nicht. Wie gesagt, ich weiß schon das ein oder andere über mich, Selbstreflexion kann ich. Nur will es mir nicht so recht helfen.

Es gibt andere Möglichkeiten, wie genetische Disposition, Alter, Folgeerscheinungen von medizinische Maßnahmen. Vielleicht hat ADS eine Rolle gespielt, das war zu meiner Zeit kein Thema, obwohl vieles im Rückblick darauf hindeutet.

Es ist „not just sad“ ja meist noch nicht einmal das. Ich bin eigentlich nicht wirklich oft traurig, ich bin auch nicht müde, wie von  burnout oder (Tumor-)Fatigue Betroffene. Ich bin, soweit ich weiß, durchaus humorvoll, kann auch in dieser Situation lachen. Aber es fehlt trotzdem etwas essentielles, was früher da war. Manchmal wären intensive Gefühle, auch negative, vielleicht sogar besser.

Trotz des häufigen Gefühls von tiefer Sinnlosigkeit bin ich allerdings gottseidank ziemlich sicher nicht suizidal.

Es gibt einen Namen, ich weiß ihn inzwischen. Ich werde es demnächst aufklären. Vielleicht weiß oder ahnt es auch der ein oder andere, der das jetzt liest, schon.

Ich bin mir nicht sicher, ob man das öffentlich machen sollte. Aber ich denke, es hilft mir mit, mich zu sortieren, und das könnte Grund genug sein, es zu tun. Eine Karriere, der es schaden könnte, ist nicht zu sehen. Und andere haben es auch schon getan.

Leben in der Bude

14 Nov

Nachdem ja im Juni unsere alte Dame mit 18 Jahren uns verlassen hatte, haben wir zunächst eine Besinnungsphase eingelegt. Relativ schnell, beim einen Familienmitglied schneller, beim anderen langsamer war aber klar, dass ein Leben ohne Katze nicht wirklich so toll ist. Wir wollten also ein neues Tier zu uns holen. Vorzugsweise eines aus dem Tierheim.

Meine Tochter und auch ich und dann mein Frau fühlten uns zu zwei bzw. 3 eher benachteiligten Tieren hingezogen. Ein kleiner Kater mit Ataxie, einer jungen Katze, die schwer pilzinfiziert und stark von Milben befallen in der Quarantäne saß und ggf. einer weitere Katze mit eher geringen Vermittlungschancen. Angesichts der recht angespannten wirtschaftlichen Lage kam realistisch kein Tier infrage, dass erkennbar und von vornherein absehbar erhebliche Dauerbehandlungskosten bedeuten würde. Eventualitäten kann man nicht absehen, aber was man bereits absehen kann, sollte man vernünftigerweise daraufhin überprüfen, ob man es dauerhaft leisten kann.

Der kleine Ataxiekater wurde vermittelt, bevor wir ihn besuchen konnten. Favoritin war dann eigentlich dieses arme Wesen, dass nach einer harten Zeit in der Quarantäne dann am Ende doch zu einem wundervollen, zarten, liebenwerten Wesen herangewachsen war ihre Geschichte ist hier noch online. In der Quarantäne lernte sie Kurti kennen, einen etwa gleichaltrigen Kater, den das Schicksal ähnlich hart gebeutelt hatte. Die beiden mögen sich sehr gern, deshalb sollten sie auch nur zusammen vermittelt werden. Nach einigem Überlegen, zwei Tiere kosten ja auch doppelt, bewarben wir uns dann doch dafür die beiden zu uns zu holen, nachdem sie in der Quarantäne weitestgehend genesen waren. Sie waren beide geimpft, kastriert gechipt etc. Wir konnten sie dann auch vor knapp einer Woche übernehmen. Für eigentlich ziemlich traumatisierte Kätzchen sind sie erstaunlich schnell aufgetaut. Das verabreichen der noch benötigten Augensalbe war am Anfang naturgemäß etwas schwierig, da beide, insbesondere der Kater erstmal Vertrauen in ihre neuen Dosenöffner fassen mussten. Sie stammen übrigens aus dem Tierheim bzw. von dem Verein, zu dessen Unterstützung ich in diesem Beitrag aufgerufen hatte.

Hier sind sie nun:

Luna (Mariechen) und Tatze (Kurti)

Luna (Mariechen) und Tatze (Kurti), beste Freunde und müde nach dem Toben

Die beiden bedeuten für uns schon eine Umstellung. Zuletzt hatten wir es ja mit einer alten und eben auch sehr gealterten und damit eher ruhigen Katze zu tun. Jetzt sind es zwei Jungtiere, die, wenn sie nicht gerade so müde sind, wie auf dem Bild, ganz schön viel Trubel veranstalten können. Die leichte Fehlbildung an einer Hüfte scheint Luna dabei nicht weiter zu beeinträchtigen, also toben die beiden im Stundentakt durch die Wohnung. Es ist schön Leben wieder zu haben und auch schön zu sehen, wie Vertrauen zu ihren neuen Menschen wächst.