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Risiko?

6 Mai

Im Sinne von covid 19 Risikopatient zu sein ist relativ. Es heißt, bestimmte Risikofaktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit bei einer Ansteckung einen schweren, ggf. sogar tödlichen Krankheitsverlauf zu haben. Höchstwahrscheinlich ist auch die Wahrscheinlichkeit erhöht Spätfolgen davon zu tragen. Sofern man sich informiert, welches die Risikofaktoren sind, kann man sich natürlich Gedanken, machen was und in welchem Umfang auf einen selbst zutrifft. Ich habe das getan.

Zunächst ist ja öffentlich hauptsächlich vom Alter die Rede, oft auch noch von Vorerkrankungen, wobei meist Krebs genannt wird. Letzteres ist jedoch pauschal kein Risikofaktor. Sodann diverse Komorbiditäten und Lebensstilfaktoren. Fangen wir also an:

  • Alter: Ich bin 63. Das Risiko steigt wohl ab 50 kontinuierlich an, und je nach Interpretation gehört man mit 60 oder spätestens 65 zur Risikogruppe bezüglich des Alters. Da ich mangels Fitness, insbesondere in den letzten Jahren auch durch die Aktivitäten der schwarzen Dame bedingt, vermutlich biologisch älter bin als kalendarisch, würde ich mich hier mal dazuzählen.
  • Vorerkrankungen: Die Schilddrüsenkrebserkrankung dürfte als solche eher nicht mehr relevant sein, da es zur Zeit kein aktives Krankheitsgeschehen gibt, was auch eine kürzliche Nachsorgeuntersuchung ergeben hat. Eine Chemothrapie gab es nicht, die Behandlungen/Bildgebungen mit radioaktivem Iod, die schon mal zu einer vorübergehenden Beeeinträchtigung des blutbildenen Systems führen, was mit einer Immunschäche einhergehen kann, sind zu lange her, um noch relevant zu sein.
    Relevant könnte das erhöhte Herz-Kreislaufrisiko in Folge der langjährigen Unterdrückung des TSH als Rezidivprophylaxe sein. Herz-Kreislaufprobleme werden immer wieder als Risikofaktoren genannt. Ein erhöhter Blutdruck, prinzipiell auch ein Risikofaktor, ist gut eingestellt.
    Ebenfalls sehr wahrscheinlich relevant ist die als Folge der zweizeitigen Schilddrüsenentfernung verbliebene einseitige Stimmbandlähmung durch Beschädigung des nervus recurrens. Diese führt dazu, dass wegen des fehlenden kompletten Stimmritzenschlusses kein effektives, produktives Husten möglich ist, um Schleim aus den Atemwegen nach außen zu befördern, weshalb ich immer mehr oder weniger dauerverschleimt bin und vermehrtes Sekret nur los werde, wenn es bereits relativ weit nach oben transportiert wurde. Das macht anfälliger für Lungenentzündungen und erschwert vermutlich auch deren Ausheilung.
  • Im Blutbild zeigt sich ein konstant leicht erhöhter Wert für Leukozyten, was auf eine chronische Entzündung hindeuten könnte, die durchaus relvant sein könnte. Was genau der Auslöser ist, ist unbekannt. Es könnte sich um die Psoriasis oder auch um die chronische Sinusitis handeln. Da die späte Phase einer covid 19 Infektion bei schwerem Verlauf mit einer massiven Entzündungsreaktion einhergeht, könnte dies den Verlauf verkomplizieren.
  • Ferner bin ich übergewichtig an der Grenze zur Fettleibigkeit, was ebenfalls ein bedeutsamer Risikofaktor ist.
  • Inwiefern sich die Dauermedikation mit verschiedenen Schilddrüsenhormonen, dem nichtreversiblen MAO-Hemmer als Antidepressivum, Pregabalin zur Beherrschung der Beschwerden der Polyneuropathie und dem Betablocker auswirken, ist mir nicht bekannt.

Insgesamt rechne ich mich schon zur Gruppe der Risikopatienten und befürchte bei einer Infektion, besonders bei einem größeren Virus-Inokulum durchaus einen schweren Verlauf ggf. mit Beatmungspflichtigkeit.

Als Konsequenz sollte ich besondere Vorsicht hinsichtlich Situationen mit erhöhter Gefahr einer Infektion walten lassen und diese nach Möglichkeit ganz meiden. Andererseits möchte ich mich auch nicht in die totale soziale Isolation begeben, auch im Hinblick auf die Depressionserkrankung. Ich bin damit auch abhängig vom solidarischen Verhalten meiner Umgebung und sehe die neusten Entwicklungen z.B. der Verweigerung Mund-Nase-Bedeckungen zu tragen mit großen Bedenken.

Neben der ziemlich konsequenten Beachtung der Hygiene habe ich meine Sozialkontakte eingeschränkt aber nicht eingestellt. Wo ich früher 3 mal oder auch öfter pro Woche Einkaufen war, habe ich dies im wesentlichen auf einen Einkauf reduziert. Soweit es nicht Dinge des ganz alltäglichen Bedarfs, der aus dem Supermarkt bzw. Discounter zu decken ist, betrifft, bestelle ich vermehrt online. Während des Einkaufs versuche ich Sprechkontakt weitestgehend zu vermeiden, trage eine Mund- und Nasenbedeckung, sofern ich von einer höheren Kundenfrequenz ausgehen muss, auch eine FFP1-Maske ohne Ventil.
Arzt- und Apothekenbesuche sind auf allernötigste reduziert. Kontakte zu den Nachbarn finden praktisch ausschließlich im Freien und auf deutlich größere Entfernung statt, wo die Übertragungswahrscheinlichkeit sehr gering ist.

Soweit meine Adaptation an das von mir eingeschätzte Risiko eines schweren Verlaufs einer covid 19 Infektion. Wie ich damit leben, was das mit mir und der Depression macht ist Thema eine eigenen Beitrages.

Prävention

11 Sept

Im Moment läuft gerade eine große Kampagne zur Primärprävention von Krebserkrankungen an, im wesentlichen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe betrieben. Hintergrund ist, dass theoretisch(!) etwa 40% aller Krebsneuerkrankungen vermieden werden könnten, wenn alle(!) Menschen sich in ihrem Lebensstil entsprechend optimal(!) verhalten würden. Damit ist aber auch schon gesagt, dass diese Zahl eine wirklich theoretische ist, die in der Praxis weit davon entfernt ist, erreichbar zu sein. Dies wird bei der Kampagne allerdings nicht erläutert, denn 40% klingt natürlich besser als die 10-20%, die sich vermutlich bei einiger Anstrengung tatsächlich maximal erreichen ließen.

Die 40% würden nämlich bedeuten, dass niemand mehr raucht, alle weitgehend auf Alkohol verzichten, alle ihr Idealgewicht erreichen und halten, alle sich maximal gesund ernähren, alle mindestens 5 mal 20min in der Woche Sport treiben, alle genügend schlafen und einiges mehr, und zwar eben alle und alles gleichzeitig. Da im wesentlichen ohne weitere Erläuterung von diesen 40% vermeidbaren Krebserkrankungen zu reden, halte ich für etwas unredlich.

Nun macht ja Primärprävention durchaus Sinn. Jede verhinderte Krebserkrankung ist verhindertes Leid, nicht nur für die Erkrankten selbst sondern auch für die in aller Regel mitbetroffenen Angehörigen und Bezugspersonen. Jede verhinderte Krebserkrankung bedeutet auch eine Menge eingesparte Kosten, was die eigentliche Behandlung der Erkrankung und ihrer Folgen (Langzeitfolgen, psychische Störungen ect. auch der Mitbetroffenen) betrifft, aber auch gesellschaftliche Folgekosten durch Arbeitsausfälle, Frühverrentung etc. Ein Aspekt, an dem man einfach nicht vorbei kommt, und wenn es nur darum geht, den verbliebenen Erkrankten eine optimale und leider auch immer teurer werdende Therapie zu ermöglichen (die allerdings auch dazu beträgt, dass viele Erkrankte wieder oder länger ins Arbeitsleben zurückkehren können und dadurch wiederum gesellschaftliche Folgekosten abgemildert werden).

Allerdings sollten solche Kampagnen zu zwei Dingen nicht führen, die leider immer öfter zu beobachten sind: 1. Victim blaming und 2. ein massiver gesellschaftlicher Zwang zur Selbstoptimierung.

Erstens kann man eine konkrete Krebserkrankung einer konkreten Person praktisch nie auf eine konkrete Ursache zurückführen. Einem einmal erkrankten Raucher die Schuld an seiner Erkrankung zuzuweisen ist schlicht Blödsinn, weil eben auch lebenslange Nichtraucher an Lungenkrebs erkranken können, ohne dass eine konkrete Ursache fassbar wäre und andererseits auch Kettenraucher ohne eine Lungenkrebserkrankung davon kommen können. Exakt das gleiche gilt für alle anderen Lebensstilfaktoren. Auch die penibleste Einhaltung sämtlicher Empfehlungen dazu verhindert nicht sicher, irgendwann von irgendeiner Krebserkrankung betroffen zu sein. Es geht immer nur um Wahrscheinlichkeiten und Verringerung von Risiken, was durchaus möglich ist. Die Schuldfrage lässt sich nicht klären, und für die Betroffenen ist sie auch überhaupt nicht mehr relevant.

Obwohl dies insbesondere den Fachleuten rund um Krebserkrankungen bekannt sein sollte, wird bisweilen sogar von diesen victim blaming, also Schuldzuweisung an die Betroffenen betrieben, was nicht ohne Auswirkung auf das Verhalten und die Meinungen in der Gesellschaft insgesamt bleibt. Hier tut allgemeine Aufklärung not, die am besten in Verbinung mit einer Kampagne wie der jetzigen betrieben würde, was aber leider nicht der Fall ist. Leider ist eben zu erwarten, dass sich der Trend, Erkrankten, nicht nur von Krebs Betroffene, die Schuld für ihre konkrete Erkrankung zuzuschieben, verbunden leider auch oft mit der Forderung nach einer Sanktionen im Erkrankungsfalle, fortsetzt. Das bedeutet letztlich Menschen dafür bestrafen zu wollen, dass sie krank geworden sind, obwohl im konkreten Falle nicht nachgewiesen werden kann, was genau und ob ein konkretes, eindeutig benennbares Fehlverhalten die Ursache war.

Zweitens ist die Forderung nach einem gesunden Lebensstil natürlich auch gleichzeitig eine Forderung nach Selbstoptimierung. Das ist zunächst einmal nicht schlimm, solange das nicht zur gesellschaftlichen Ächtung derer führt, die dieser Forderung nicht oder nicht im vollen Umfang (was letztlich auch gar nicht möglich ist) nachkommen, aus welchen Gründen auch immer, die nicht bewertet werden sollten. Bodyschaming, religiös überhöhte Ernährungsideologien, die genau als solche aggressiv vertreten werden, manisches Sporttreiben mit Ausgrenzung derer, die sich nicht daran beteiligen wollen oder können, und andere Auswüchse sind letztlich die mittelbaren Folgen eines verstärkten gesellschaftlichen Zwanges zur Selbstoptimierung.

Ob und wie weit ich mich selbst optimieren kann und will muss am Ende immer noch ich selbst und ohne Zwang entscheiden können. Sanktionen sind nicht sinnvoll, Belohnungen im Einzelfall ggf. schon. Forderungen nach höheren Beiträgen zur Krankenversicherung für Bewegungsmuffel oder Raucher wurden durchaus schon laut, sind aber ganz sicher der falschen Weg und führen am Ende zu Diskriminierungen. Belohnung in Form von Bonusprogrammen können hingegen einen positiven Effekt bringen, sollten aber richtig konzipiert sein.

Was ist das wohl?

16 Nov

Ich stehe neben mir beobachte mich und weiß, dass da etwas falsch läuft, ganz falsch. Selbstreflektiv bin ich ja, ziemlich gut sogar, wie mir von kompetenter Seite bestätigt wurde.

Ich weiß, was ich tun müsste, was mir gut tun könnte, was mir gut getan hat. Und ich kriege es nicht hin. Ich kann Dinge, die ich gern getan habe, die mich entspannt haben, die mir Kraft gegeben haben nicht mehr tun, mich nicht mehr aufraffen, die meisten jedenfalls.

Ich war früher mal fast wöchentlich im Kino, was ich mir nicht mehr leisten könnte, aber ich habe einen seit langem unbenutzten Kinogutschein.

Ich war früher mindestens zweimal wöchentlich im Wasser, schwimmenderweise, und ich habe eine Wertkarte für ein sehr schönes Wellnessbad, die mir etliche Eintritte ermöglichen würde, ich war ein einziges mal vor fast einem Jahr dort, was mir damals gut getan hat.

Wenn ich dann wirklich einmal etwas tue, was ich eigentlich gern täte, worauf ich mich gefreut habe, schaffe ich es nicht, das uneingeschränkt zu genießen. Zuletzt habe ich ein wirklich großartiges Konzert von Jean Michel Jarre besucht (worüber ich auch mal was schreiben sollte), das mir als außerordentlich großzügiges Geschenk einiger Bekannten und Freunde ermöglich wurde, und das ich mir selbst nicht hätte leisten können.

Immer wieder ist aber dann da das schlechte Gewissen: Es ist schon soviel Arbeit liegen geblieben, die längst getan sein sollte, der Schreibtisch sieht aus wie ein Schlachtfeld. Und doch schaffe ich es nicht mich effektiv und konzentriert länger damit auseinanderzusetzen, ohne das mich Grübeleien, Zweifel, schlechtes Gewissen, das Gefühl von Sinnlosigkeit wieder ablenken. Und ich lenke mich selbst ab mit allem möglichen.

Ich weiß selbst wie paradox das ist. Ich kenne sie ja alle, die guten Ratschläge: Entspann Dich mal. Du musst auch mal was für Dich tun. Grübel nicht so viel.
Ich kenne inzwischen durchaus auch ein paar potentiell wirksame Werkzeuge, Tagespläne, Mittel zur Strukturierung, wo mir doch die Struktur so sehr abhanden gekommen ist, habe einen MOOC zur Prokrastination mitgemacht. Ich weiß das doch alles!

Aber ich stehe neben mir und schaue mir zu, wie ich es einfach nicht gebacken kriege. Der Antrieb ist weg, oft vollständig, manchmal auf Bereiche beschränkt. Ich funktioniere gerade noch so, dass ich, meist unmotiviert, die allerwichtigsten Dinge, dringende Aufträge noch eben erledigt kriege. Ich quäle mich buchstäblich jeden Morgen meist später, als ich es vorhatte und sinnvoll gewesen wäre, aus dem Bett, in dem ich am liebsten liegen bleiben würde. Aber ich weiß ja, dass das die ohnehin mehr als angespannte Lage noch schwieriger mache würde.

Es gibt noch einen Bereich, der mir immer mal wieder Bestätigung und das Gefühl von Selbstwirksamkeit gibt, das mit in fast jedem anderen Bereich so fehlt. Das ist mein Ehrenamt. Aber auch da herrscht schlechtes Gewissen: Kann ich es mir eigentlich leisten, dafür soviel Zeit „zu verschwenden“, wo ich doch soviel „wichtigere“ Dinge erledigen müsste, die ich nicht geschafft kriege? Natürlich ist mir rational klar, dass ich nicht darauf verzichten sollte, mir wenigstens da Bestätigung zu holen, wo es noch funktioniert. Aber immer wieder sind da die Zweifel. Paradox ist auch, das ich offensichtlich anderen helfen konnte, teilweise mit Ratschlägen, die ich mir selsbt auch geben könnte. Sie greifen aber nicht, bzw. ich schaffe es nicht sie umzusetzen, ich schaffe es einfach nicht.

Dieses Gefühl der Ohnmacht, der Sinnlosigkeit der allermeisten Anstrengungen, die dann am Ende doch nicht ausreichen, macht auch teilweise wütend oder zumindest ungehalten auf mich  selbst. Ich merke ja, was aus dem Ruder läuft.

Die Ursachen sind vermutlich kaum eindeutig festzumachen. Es gab in den letzten Jahren überreichlich persönliche Belastungen. Todesfälle, etliche gesundheitliche Baustellen inklusive einer – wohl überstandenen – Krebserkrankung, vor allem wirtschaftliche Schwierigkeiten und geschäftliche Rückschläge zuhauf, familiäre Belastungen, mit pflegebedürftigen  und zum Teil schwer psychsich kranken Angehörigen bzw. Angehörigen von Angehörigen. Alles Dinge, die andere schon heil überstanden und sich wieder aufgerappelt haben. Mir haben sie offensichtlich  mehr zu schaffen gemacht als anderen. Selbstbewusstsein war noch nie meine wirkliche Stärke, auch als Kind und Jugendlicher schon nicht, obwohl ich im Grunde zumindest zeitweise nicht unerfolgreich war. Ich habe in einer längeren und schon vor längerem beendeten tiefenpsychologisch fundierten Therapie das ein oder andere über mich selbst erfahren. Diese Einheiten haben mich auch immer mal wieder aufgebaut, letztlich wirklich erfolgreich waren sie am Ende wohl rückwirkend betrachtet doch nicht. Wie gesagt, ich weiß schon das ein oder andere über mich, Selbstreflexion kann ich. Nur will es mir nicht so recht helfen.

Es gibt andere Möglichkeiten, wie genetische Disposition, Alter, Folgeerscheinungen von medizinische Maßnahmen. Vielleicht hat ADS eine Rolle gespielt, das war zu meiner Zeit kein Thema, obwohl vieles im Rückblick darauf hindeutet.

Es ist „not just sad“ ja meist noch nicht einmal das. Ich bin eigentlich nicht wirklich oft traurig, ich bin auch nicht müde, wie von  burnout oder (Tumor-)Fatigue Betroffene. Ich bin, soweit ich weiß, durchaus humorvoll, kann auch in dieser Situation lachen. Aber es fehlt trotzdem etwas essentielles, was früher da war. Manchmal wären intensive Gefühle, auch negative, vielleicht sogar besser.

Trotz des häufigen Gefühls von tiefer Sinnlosigkeit bin ich allerdings gottseidank ziemlich sicher nicht suizidal.

Es gibt einen Namen, ich weiß ihn inzwischen. Ich werde es demnächst aufklären. Vielleicht weiß oder ahnt es auch der ein oder andere, der das jetzt liest, schon.

Ich bin mir nicht sicher, ob man das öffentlich machen sollte. Aber ich denke, es hilft mir mit, mich zu sortieren, und das könnte Grund genug sein, es zu tun. Eine Karriere, der es schaden könnte, ist nicht zu sehen. Und andere haben es auch schon getan.

Tierversuche

7 Mai

begeistern mich nicht, haben mich noch nie begeistert, auch nicht, bevor ich von einer Krebserkrankung betroffen war.

Ich bin ja gelernter Biologe und bin im Studium fast zwangsläufig mit Tierversuchen in Berührung gekommen. Ich hab immer versucht, sie für mich soweit wie möglich zu vermeiden, was nicht in allen Fällen möglich war. Letztlich hat mich die Verwendung von tierischem Material (in dem Fall frisch zu präpariendes Rinderherz aus dem Schlachthof) dazu bewogen eine ganze Weile (ovo-lacto)vegetarisch zu leben. Auch wenn ich mittlerweile wieder Fleisch esse, dürfte sich das erheblich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt bewegen.

Nun soll es in den nächsten Tagen eine Anhörung zu einer Petition einer europäischen Bürgerinitiative namens „Stop Vivisection“ geben, die zum Ziel hat tierxperimentelle Forschung generell und in allen Fällen zu verbieten. Bei allem Verständnis und bei aller Sympathie für den Tierschutz halte ich das für gelinde gesagt völligen Schwachsinn, so hart muss ich das leider ausdrücken. Und das trifft mich als von einer Krebserkrankung Betroffener ganz besonders. Allein der Titel der Initiative suggeriert etwas, was so definitiv nicht zutrifft. Die Zeiten vereinzelter Tierexperimente, die wirklich den Charakter von Vivisektionen hatten sind längst vorbei. So etwas wird heutzutage keine Genehmigung mehr erhalten, und in der Arzneimittelforschung gilt dies sowieso. Man kann durchaus die Frage stellen, ob Tierexperimente  für Kosmetika wirklich und vor allem in größerem Umfang sein müssen. Für die medizinische Forschung sind sie bis auf weiteres unverzichtbar.

Keines, aber wirklich keines der neuentwickelten Krebsmedikamente, die zu einer dramatischen Verbesserung der Lebenserwartung und auch der Lebensqualität Betroffener geführt haben, wäre ohne tierexperimentelle Forschung möglich gewesen. Es hat erhebliche Anstrengungen gegeben, den Einsatz von Versuchstieren zu begrenzen, und es gibt durchaus Fortschritte in dieser Richtung. Aber keine der bisher entwickelten Alternativen kann Tierexperimente in bestimmten Phasen der Entwicklung völlig ersetzen, und das wird auf absehbare Zeit so bleiben. Ich bezweifle wirklich sehr ernsthaft, dass alle Zeichner dieser Petition im Ernstfall bereit wären auf alle Medikamente und Therapien, die unter Einsatz von Versuchstieren entwickelt wurden, zu verzichten, weil dann schlicht und ergreifend fast gar keine mehr übrig blieben, zumal bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Krebs. Im Übrigen müssten sie sich dann in der Regel selbst einer Vivisektion unterziehen, weil so ziemlich alle modernen Narkotika ebenfalls unter Einsatz von Tierexperimenten entwickelt wurden und sie sich konsequenterweise dann bei vollem Bewusstsein operieren lassen oder eben auf eine Behandlung verzichten müssten.

Als selbst davon Betroffener und in der diesbezüglichen Selbsthilfe Tätiger liegt mir der Schilddrüsenkrebs natürlich besonders am Herzen. Schilddrüsenkrebspatienten in fortgeschrittenen Stadien, in denen eine Radiojodtherapie mangels nicht mehr vorhandener Jodspeicherung in den Tumorzellen nicht mehr griff, und bei denen die operativen und radioonkologischen Möglichkeiten ausgeschöpft waren, stand in der Vergangenheit im Gegensatz zu den meisten anderen Krebserkrankungen keine wirksame medikamentöse Behandlung mehr zur Verfügung. Klassische Chemotherapeutika waren und sind unwirksam. Erst in den letzten Jahren taten sich mit den neu entwickelten Tyrosinkinaseinhibitoren zum ersten Mal neue Optionen auf, die auch für diese Patienten noch die Aussicht auf zusätzliche Lebenszeit bei erträglicher Lebensqualität eröffneten. Weitere befinden sich in der Entwicklung bzw. in Zulassungsstudien. Wohlgemerkt, auch diese Medikamente haben erhebliche Nebenwirkungen, aber sie sind besser als gar keine Option, und ich kenne persönlich mehrere Betroffene, die bereits längere Zeit damit zurechtkommen und froh über diese Möglichkeit sind. Diese Option stünde ohne tierexperimentelle Forschung definitiv nicht zur Verfügung und eine Weiterentwicklung in Richtung noch besserer Wirksamkeit und ggf. Verträglichkeit wäre ebenfalls in Frage gestellt.

Bei anderen Krebserkrankungen, bei Autoimmunerkrankungen und anderen schweren und lebensbedrohlichen Erkrankungen ist die Situation ähnlich. Ohne tierexperimetelle Forschung keine weitere Verbesserung der Versorgung der Betroffenen.

Ich hoffe inständig, die Europaparlamentarier werden sich nicht durch völlig überzogene Darstellungen und Fehlinformationen blenden lassen und sich umfassend informieren. Ich werde in jedem Fall noch versuchen einige von ihnen mit einem persönlichen Anschreiben zu erreichen, allerdings drängt die Zeit, die Anhörung wird am 11.5. stattfinden.

Ernährung und Krebs

4 Apr

Mal wieder ein Krebsthema allgemeiner Art.

Eben wurde ich durch ein Like darauf hingewiesen, dass ich ja mal einen Beitrag zum Thema Ernährung und Krebs geschrieben hab. Das ist schon eine Weile her und Grundlegendes hat sich bei den Erkenntnissen, die ich damals darstellte, auch wenig getan. Ich habe inzwischen an einer Fortbildung für Ärzte, Ernährungberater und anderes medizinische Personal zum Thema Ernährung und Krebs teilgenommen, an der dankenswerter Weise auch Vertreter von Selbsthilfeorganisationen teilnehmen durften.

Es handelte sich um das Modul „Ernährung“ einer Fortbildungsreihe integrative Onkologie der Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie (PRiO) der Deutschen Krebsgesellschaft im August 2014 in Wiesbaden über zwei Tage.

Dort wurde in Ergänzung zu meinen alten Beitrag auch auf einige weitere Aspekte eingegangen wie die Frage, ob bestimmte Ernährungsformen wie omnivore, vegetarische oder auch vegane Ernährung bei Prävention und/oder Rezidivprohylaxe vorteilhaft sind. Außerdem ging es unter anderem um die Bedeutung von sog. Krebsdiäten, die in letzter Zeit immer wieder zur Prophylaxe und auch zur Behandlung von Krebserkrankungen propagiert werden. Es war eine für mich sehr aufschlussreiche Veranstaltung, bei der ich viel mitgenommen habe. Alle für mich gewonnenen Erkenntnisse hier darzustellen würde den Rahmen völlig sprengen. Ich habe den FAQ des SH-Forums des Verbandes, bei dem ich mitarbeite, eine relativ kurze Zusammenfassung geschrieben, die ich hier verlinken möchte, für den Fall, dass das Thema für den ein oder anderen interessant sein könnte, da ich weiß, dass auch hin und wieder immer noch Krebsbetroffene hier mitlesen.

http://www.sd-krebs.de/phpBB2/ftopic23886.html

Es geht los

15 Aug

Eigentlich ging es gestern schon los, denn gestern war der Termin zur Voruntersuchung für die Radioioddiagnostik nächste Woche in der Uniklinik Mainz.

Ein netter jüngerer Arzt, sehr angenehm und sehr gut informiert. Erster Pluspukt: Er hatte sich offenbar vor unserem Gespräch und der Untersuchung eingehend mit meinen Vorbefunden beschäftigt. Das ist ja leider, insbesondere bei Unikliniken nicht ganz selbstverständlich, oft fängt der untersuchende Arzt überhaupt erst in den Vorbefunden an zu lesen, wenn es aus seiner Sicht eine Unklarheit gibt und interessiert sich ansonsten wenig dafür, was die Kollegen vor ihm getan und herausgefunden haben. Wie unterhielten und ausführlich über meine Anamnese und meine Motivation für diese Bildgebung.

Die Frage, ob und wann bei vorhandenen Antikörpern gegen den Tumormarker Thyreoglobulin eine Bildgebung mit I131 oder gar ein FDG-PET zu machen ist, wird ja eher kontrovers diskutiert. Es scheint dazu etwa so viele Meinungen wie Nuklearmedizinier zu geben. Es gibt die Ansicht bei vorhandenen TAK mit steigender Tendenz im Abstand von 1-2 Jahren eine solche Bildgebung zu machen, es gibt aber auch die Ansicht, dass TAK bei ungestörter Wiederfindung des Thyreoglobulin-Assays nicht weiter zu beachten sind. Beides ist mir zu extrem, ganz unbeachtet will ich die TAK aber nicht lassen, zumal sie bereits im Verlauf der Nachsorge anfangs einmal verschwunden waren und erst im Verlauf wieder aufgetaucht sind.

In Mainz neigt man dazu, sie bei niedrigem Level eher nicht zu beachten, während ein Konsensusapier führender europäischer Nuklearmediziner einen Anstieg auf geringem Niveau als beachtenswerter erachtet als konstante Werte auf hohem Niveau, Grenzwerte werden allerdings nicht genannt, und die Evidenz sowohl für die eine als auch für die andere Ansicht ist nicht berauschend. Ich hatte ja bereits für mich entschieden, dass die TAK in Zusammenhang mit immer mal wieder vergrößerten Lymphknoten  für mich Anlass sind, jetzt nach 5 Jahren wieder einen Radioiodscan und einen Tg-Wert unter TSH-Stimulation zu machen. Dieses Prozedere ist bei den Nachsorgeschemata vieler Zentren sowieso vorgesehen, obwohl m.E. nicht immer notwendig. In Mainz macht man standardmäßig davon abweichend normalerweise ca. 1 Jahr nach dem Nachweis der  erfolgreichen Ablation einen weiteren Radioiodscan und danach nur noch bei Verdacht. Wie auch immer der Arzt konnte meine Überlegungen nachvollziehen, und ich werde am Dienstag für ca. 3-4 Tage auf die Isolierstation einrücken.

Als Voruntersuchung fand nochmal eine Blutentnahme und ein diesmal sehr ausführlicher Ultraschall der Halsweichteile statt. Es wurden dabei etliche Lymphknoten dokumentiert, von denen drei vergrößert sind aber morphologisch nicht verdächtig erscheinen. Von diesem Befund her ist eher nicht mit einer pathologischen Iodspeicherung zu rechnen. Nun wir werden sehen.

Morgen und am Sonntag gibt es noch je einen weiteren ambulanten Termin zum Spritzen des rekombinanten menschlichen TSH um ggf. vorhandene Tumorzellen zur Iodaufnahme und Abgabe von Thyreoglubulin zu stimulieren und sie so sichtbar zu machen. Das Prozedere ist zwar etwas umständlich, lässt sich aber kaum anders regeln. Theoretisch könnte auch mein Hausarzt diese Spritzen geben, zumal ich ja bereits zweimal Erfahrung damit habe und außer einigermaßen erträglichen Kopfschmerzen ernsthafte Nebenwirkungen, die beim ein oder anderen schon mal möglich sind, damals ausgeblieben sind. Nur lässt sich das schlecht mit dem sonstigen Zeitplan in Einklang bringen, der eine recht starre Abfolge von Injektionen, Verabreichung des radiokativen Iods, Blutentnahme für den stimulierten Wert des Tumormarkers und abschließendem Ganzkörperszintigramm vorsieht, von dem nur minimal abgewichen werden kann. Da aber eine Injektion durch den Hausarzt am Wochenende nicht organisierbar ist, muss ich wohl oder übel dazu zweimal nach Mainz fahren.

Geschützt: Alternativlos

26 Jan

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2 Wochen T4/T3

1 Feb

Vor 2 Wochen hab ich mit der Umstellung der Schilddrüsenhormonsubstitution von reinem T4 (Thyroxin) auf eine Kombination von T4 und T3 (Trijodthyronin, Thybon) begonnen. Thyroxin von 162 µg auf 137µg / Tag reduziert und zunächst je 5µg Thybon morgens und abends dazu genommen. Nach einer Woche dann morgens 5 und abends 10 µg. Dabei werde ich es erstmal eine Zeit belassen. Meine Nachsorgeärztin meint zwar 10 und 10µg, was aber nicht ganz dem empfohlenen Verhältnis nach der Leitlinie entspricht. Außerdem will ich erstmal abwarten, bis sich die Übergangseffekte ausgeglichen haben.

Da das Thyroxin eine ziemlich lange Halbwertszeit von 8 Tagen hat Thybon aber nur von 10-19 Stunden, dauert es einige Wochen, bis die T4 Werte im jetzt niedrigeren Gleichgewicht sind, während T3 relativ schnell ansteigt. Da aus dem T4 im Körper auch T3 gemacht wird, bin ich damit im Moment vermutlich etwas überdosierter als sonst schon., was ich durchaus etwas bemerke. Ich bin leicht aufgedrehter, und ein klein wenig rappeliger, was sich aber in erträglichen Grenzen hält. Kaffee scheint stärker zu wirken und ich muss mich beim Konsum etwas einbremsen. Schlafen geht leidlich bis gut.

Der positive Effekt ist, dass mein tiefes Loch am frühen bis späten Nachmittag fast verschwunden ist. Die relativ plötzlich einsetzende bleierne Müdigkeit ist kaum noch vorhanden, und genau das wollte ich ja hauptsächlich erreichen. Wenn sich die Werte eingependelt haben, wird sich hoffentlich auch das leichte Überdrehtsein noch etwas verringern. Der Ruhepuls ist etwas angestiegen aber noch im grünen Bereich, der Blutdruck ist etwa gleich geblieben, was auch ein Knackpunkt war. Ich werde den Betablocker, den ich erst vor einigen Monaten nochmals runterdosiert haben wohl nicht wieder erhöhen müssen.

Bis jetzt bin ich mit dem Ergebnis recht zufrieden und hoffe, dass die Blutwerte so in ca. 4 Wochen das auch widerspiegeln werden und bei ausreichend unterdrücktem TSH sich die T3 und T4 Werte im Normalen bewegen und ein einigermaßen normales T3/T4-Verhältnis herauskommt.

Ein Versuch

20 Jan

Nach einer im letzten Spätherbst gestellten Anfrage hab ich vor einer guten Woche nun das go von meiner Nachsorgeärztin bekommen und kann einen Versuch mit einer anderen Schilddrüsenhormonsubstitution starten. Das Folgende ist ein bisschen insidermäßig, aber ich will den Versuch irgendwie verständlich machen.

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Patienten ins Tumorboard?

30 Apr

Sunny hat auf diesen interessanten Artikel hingewiesen. Anders als der Titel zunächst vermuten lässt, geht es nicht nur um Zweitmeinungen sondern überhaupt um Qualitätsmanagement und -sicherung insbesondere bei der Diagnose und Therapiefindung bei Krebserkrankungen.

Erstaunlich hoch finde ich die Quote an Änderungen der Therapieempfehlung, wenn eine qualifizierte Zweitmeinung eingeholt wird.

Am interessantesten an dem Artikel erscheint mir die  angesprochene Praxis mancher Tumorboards auch betroffene Patienten zur Teilnahme einzuladen:

„Ob der Patient eine bestimmte Therapie ablehnt, könne nur mit dem Patienten zusammen abgeklärt werden. Manche Tumorboards organisieren genau das: die Teilnahme des Patienten oder zumindest des behandelnden Arztes. Manchen Spezialisten behagt das zwar nicht, weil sie den Kontakt zum Patienten oft gar nicht gewohnt sind, …“

Leider wird nicht erwähnt, wie viele und welche Tumorboards das sind. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese Vorstellung nicht jedem Arzt behagt, andererseits wird es vermutlich für den Patienten einfacher sein, einen Therapievorschlag zu akzeptieren, wenn er am Zustandekommen beteiligt ist, und sei es auch nur, wenn er sieht, wie er gefunden wird. So dürfte auch seitens der Mediziner der Vorteil einsichtig sein. Auch wenn zu erwarten ist, dass der zeitliche Aufwand im Durchschnitt größer ist, fällt natürlich andererseits zumindest ein Teil der späteren Diskussion mit dem Patienten weg, wobei natürlich immer noch Bedenkzeit bleiben sollte. Natürlich setzt das einen aufgeklärten und informierten Patienten voraus, wovon man in der Regel bei von einer Krebserkrankung Betroffenen eher, aber natürlich nicht in jedem Fall ausgehen darf. Und natürlich kommt hier auch wieder der E-Patient ins Spiel, der sich eigenverantwortlich seine Informationen aus dem Web besorgt, was ebenfalls nicht bei allen Ärzten wohl gelitten ist, und es gibt neben seriösen Informationen natürlich auch zugegebenermaßen sehr viel nutzlose, falsche und bisweilen gefährliche „Information“ im Web.

Mich würde mal interessieren, wie andere Betroffene das so sehen: Würdet Ihr an einem Tumorboard betreffend einer Therapieentscheidung für Euch teilnehmen wollen, wenn die Möglichkeit dazu besteht? Natürlich dürfen sich auch gern Nichtbetroffene angesprochen fühlen, die sich das vorstellen können oder aber eben nicht.

Und da ich weiß, dass zumindest ein Arzt hier gelegentlich mitliest 😉 , würde mich natürlich auch die Meinung der anderen Seite interessieren.